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  • 28.05.2015 - 11:35 GMT

EBD-Präsident Wend: Mehr Offenheit statt Speed Dating bei EU-Gesetzgebung

Berlin, 28.05.2015 – „So offen wie möglich Gesetze machen statt Speed Dating hinter verschlossenen Türen!“: Auf diese Formel bringt der Europapolitische Einwurf von EBD-Präsident Dr. Rainer Wend die Kritik am Trilog-Verfahren, das heute auch Ombudsfrau Emily O’Reilly scharff angriff: Mit einer Untersuchung zu mehr Transparenz. 

Deutliche Worte kamen heute Morgen von Europas Ombudsfrau Emily O’Reilly: „Parlament, Rat und Kommission sind vertraglich verpflichtet, so offen wie möglich Gesetze zu machen“, schreibt sie den EU-Institutionen ins Stammbuch. „Europäische Bürger, Unternehmen und Organisationen sollten in der Lage sein, jede Etappe in der Gesetzgebung zu verfolgen und zu verstehen, wie die Verhandlungsparteien zum Endergebnis kommen“, fordert sie – und spricht damit den 245 EBD-Mitgliedsorganisationen aus der Seele.

„So offen wie möglich Gesetze machen statt Speed Dating hinter verschlossenen Türen!“ – Auf diese Formel bringt EBD-Präsident Dr. Rainer Wend in seinem aktuellen europapolitischen Einwurf die einhellige Kritik am informellen Trilog-Verfahren. Diese eigentlich für Ausnahmen reservierte Variante des Gesetzgebungsverfahrens wird mittlerweile für 80 Prozent der EU-Gesetze angewandt und ist wegen mangelnder Transparenz nicht nur der Ombudsfrau ein Dorn im Auge.

Am gleichen Tag, an dem O‘Reilly ihre Untersuchung für mehr Transparenz im Trilog-Verfahren startet und die Offenlegung von Protokollen und Teilnehmerlisten fordert, stellt der EBD-Vorstand den Entwurf für die Politischen Forderungen 2015/16 vor, über die die Mitgliederversammlung Ende Juni abstimmt. Großes Thema auch hier: Trilog. Ein Verfahren, das, so Wend, „effizient tut, aber in Wahrheit einer Speed Dating-Gesetzgebung gleicht: Nur einige wenige Vertreter von Europäischem Rat, Kommission und Parlament machen hinter verschlossenen Türen Gesetze, die alle EU-Bürgerinnen und Bürger betreffen – natürlich fast ohne Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft.“

Bereits seit 2013 bemüht sich die EBD-Politik der EBD-Mitgliedsorganisationen – durchaus heterogen in ihrer Zusammensetzung und dennoch fähig zu einem effizienten Einigungsprozess – , mehr Licht ins Dunkel der Trilog-Verhandlungen zu bringen. Die Hartnäckigkeit zeigt allmählich Wirkung, das Thema bekommt auch in den Medien mehr Aufmerksamkeit. Immerhin versprechen die Juncker-Kommission und ihr „Premier“ Frans Timmermans ja mit dem Paket zur „Besseren Rechtsetzung“ Abhilfe. Oder doch nicht? 75 Prozent weniger EU-Gesetze will Timmermans künftig. Doch auch das ist eine zweischneidige Sache, wenn sich nicht am Verfahren Entscheidendes ändert, warnt EBD-Präsident Wend: „Wenn von den verbliebenen 25 Prozent weiterhin 80 Prozent ohne breiten Dialog verabschiedet werden, dann wird Europapolitik tatsächlich ein Projekt der Eliten!“

Der europapolitische Einwurf des EBD-Präsidenten im Volltext: 

Mehr Offenheit statt Speed Dating bei EU-Gesetzgebung

„Weniger ist mehr!“, „Groß im Großen, klein im Kleinen!“ – Die vagen Ankündigungen der neuen politischen EU-Kommission werden mit dem „Besser-Regulieren-Paket“ von Jean-Claude-Juncker und seinem „Premierminister“ Frans Timmermans endlich konkret: Europa soll sich nicht mehr für alles und jedes verantwortlich fühlen. Es soll nur die notwendigen Gesetze und diese auch zwischen den Ebenen effizienter machen. Die Juncker-Kommission sieht dabei ihr Paket als Teil von „mehr Demokratie“. Soweit, so gut. Aber nicht gut genug!

Denn nicht jedem gefallen die Vorschläge. Ein Vorwurf der wirtschaftskritischen Lobby, einschließlich vieler Gewerkschaften, lautet: das Kommissions-Paket sei Teil eines großen neoliberalen Komplotts, um Umwelt- und Verbraucherschutz, aber auch Arbeitnehmerinteressen zu schaden. So einfach darf man es sich nicht machen. Aber der EBD-Vorstand – mit Repräsentanten aus 25 Organisationen aus allen Bereichen von Politik und Gesellschaft – stellt in den für die Mitgliederversammlung vorbereiteten Politischen Forderungen 2015/16 klar: „Europa ist eine Rechtsgemeinschaft; doch nicht jede Regulierung ist deshalb mit Bürokratielasten gleichzusetzen!“, und folgert daraus: „Die Kommissions-Initiative zur ,Besseren Rechtsetzung‘ muss deshalb unter den genannten Prämissen neu ausgerichtet werden.“

Und warum das? Weil wir seit den Diskussionen zum Binnenmarkt und TTIP wissen, dass bei der organisierten Zivilgesellschaft, zu der im Übrigen auch Wirtschaftsverbände gehören, viel Unmut, ja oft falscher Vorwurf herrscht. Viele sind gar nicht gegen Europa. Sie vermissen aber Transparenz im Gesetzgebungsprozess, bei dem oft nicht nachvollziehbar ist, warum Gesetze zustande kommen oder eben auch nicht.

Sinnbild für die mangelhafte Transparenz in Europa ist das informelle Verfahren „Trilog“, das effizient tut, aber in Wahrheit einer Speed Dating-Gesetzgebung gleicht: Wenige Vertreter von Ministerrat, Kommission und Parlament machen hinter verschlossenen Türen Gesetze, die alle EU-Bürgerinnen und Bürger betreffen – mit einem Minimum an Dialog mit der organisierten Zivilgesellschaft. Inzwischen wird dieses vermeintlich pragmatische Verfahren bei 80 Prozent aller EU-Gesetze angewandt. Vor allem in den Staatskanzleien der Mitgliedstaaten (und damit im EU-Rat), ja, selbst im EU-Parlament herrscht oft die eitle Meinung vor, dass man hinter verschlossenen Türen schneller zum Ziel komme. Es brauche nur gut ausgewählte Expertise – gut ausgewählt nach gusto der verantwortlichen Trilogisten? -, um ein gutes Gesetz zu machen.
… So macht sich Europa wahrlich keine Freunde!

Noch im Januar kritisierte Frans Timmermans dies: Sogar die politische Ebene der Kommission sei bei den sogenannten Trilogen nicht genug eingebunden. Nun schweigt er dazu.

Stattdessen spricht er lieber davon, dass es künftig 75 Prozent weniger Gesetze geben soll. Wenn jedoch von den verbliebenen 25 Prozent weiterhin 80 Prozent ohne breiten Dialog verabschiedet werden, dann wird Europapolitik tatsächlich ein Projekt der Eliten!

Genau hier setzt heute Ombudsfrau Emily O’Reilly ganz richtig an: „Parlament, Rat und Kommission sind vertraglich verpflichtet, so offen wie möglich Gesetze zu machen. Sie haben außerdem ein Interesse daran, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu bewahren.“ Sie fordert in ihrer heutigen Presseerklärung die drei EU-Institutionen auf, offenzulegen, wann Triloge einberufen werden und will bis Ende September Details, Dokumente und Protokolle veröffentlicht sehen. „In den Trilogverhandlungen werden Übereinkünfte erzielt, die jeden EU-Bürger betreffen. […] Europäische Bürger, Unternehmen und Organisationen sollten in der Lage sein, jede Etappe in der Gesetzgebung zu verfolgen und zu verstehen, wie die Verhandlungsparteien zum Endergebnis kommen.“

Unsere Ombudsfrau geht einen ganz anderen, fortschrittlichen Weg, als der so scheinheilige wie selbsternannte Erfinder der Better Regulation, Premier David Cameron. Denn für ihn ist „weniger Europa“ ein Selbstzweck.

Die gute Nachricht: Wenn wir Timmermans und O’Reilly zusammenbringen, dann wird es ein besseres Europa. Nicht mehr und nicht weniger.

Textlänge Europapolitischer Einwurf:
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Ein Foto von Dr. Rainer Wend zum Herunterladen finden Sie hier: Dr. Rainer Wend

Das Foto ist honorarfrei – bitte geben Sie im Fotonachweis (c) EBD/K. Neuhauser an.

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Links:

Der europapolitische Einwurf des EBD-Präsidenten im Volltext: Mehr Offenheit statt Speed Dating bei EU-Gesetzgebung

Entwurf der Politischen Forderungen 2015/16 der EBD

Pressemitteilung European Movement International:
„Promoting transparency in EU legislation is the right way!“

Presseerklärung der Europäischen Ombudsfrau: Ombudsfrau eröffnet Untersuchung, um Transparenz von „Trilogen“ zu fördern