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EU-Erweiterung, Außen- & Sicherheitspolitik, Europäische Wertegemeinschaft

Die „neue Türkei“ – doch auf Europakurs?

Europapolitischer Einwurf des EBD-Präsidenten

Mit Bangen blickt Europa seit dem türkischen Präsidentschaftswahlkampf Richtung Ankara. Doch das neue Kabinett von Ahmet Davutoğlu lässt für uns Europäer nun fast so etwas wie Hoffnung aufkommen, dass die neue Regierung Europa treu bleibt. Die Ernennung von Mevlüt Çavuşoğlu zum neuen Außenminister der Türkei weist auf das Bemühen Erdoğans hin, den europäischen Weg nicht zu verlassen. Mit Çavuşoğlu, der als Europaminister über mehrere Jahre über den EU-Beitritt der Türkei verhandelte, geht das Amt an einen erfahrenen Europapolitiker. Und auch der neue Europaminister Volkan Bozkır lässt hoffen, dass die Zeiten der Polemik, die während der Gezi-Park-Krise den Rest Europas so irritierte, so nicht wiederkehren werden. Aber auch unter wirtschaftspolitischen Aspekten sind personell negative Überraschungen ausgeblieben.

Ich bin optimistisch, dass die neue Regierung keine Angst vor Europäisierung hat. Denn es liegt auf der Hand, dass die Erfüllung aller Kopenhagener Beitrittskriterien nicht einfach wird, zumal im Bereich Justiz- und Innenpolitik, aber vor allem in Bezug auf Pluralismus und Demokratie. Wegen der Wirtschaft braucht sich die Türkei in Sachen EU keine zu großen Sorgen machen.

Es bleibt klar, dass kein Beitrittskandidat im Sauseschritt in die EU kommen wird. Der designierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat da ganz Recht. Aber Juncker ist auch clever in der Wortwahl, wenn er sagt, dass kein Land in den nächsten fünf Jahren in die EU kommen wird. Keines wird das können – angesichts der großen gesellschaftlichen Aufgaben und Defizite auch die Türkei nicht.

Der neue Ministerpräsident Davutoğlu und vor allem Staatspräsident Erdoğan werden den zunehmend kritischen Gruppen aus Gesellschaft und Wirtschaft entgegenkommen müssen. Zentrale Werte der EU, wie Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit, aber auch aktuell die Abgrenzung von Terrorgruppen in Syrien und im Irak, müssen in den Mittelpunkt gerückt werden.

Eine demokratische und weltoffene Türkei hat ihre wirklichen Freunde vornehmlich in der EU. Hoffentlich nutzt die neue Regierung nun die Chance, mithilfe Europas das Land auch gesellschaftlich voranzubringen und eine wirklich „neue“ Türkei zu schaffen.

Hintergrund: „Incoming PM Davutoglu Announces his Cabinet“ in Hürriyet Daily News