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Wirtschaft & Finanzen

„Die Troika ist keine Macht“: Prof. Michaele Schreyer fordert mehr Europaverantwortung

Im Tagesspiegel vom Sonnabend nahm Prof. Michaele Schreyer, EU-Haushaltskommissarin a.D. und EBD-Vizepräsidentin, in einem Namensartikel Stellung zur demokratischen Legitimation der Troika und klärt über die Entscheidungsprozesse im Griechenland-Drama auf. Der gegenwärtig populären Lesart, die „Beamten aus Brüssel“, die Griechenland seinen wirtschafts- und haushaltspolitischen Kurs vorschreiben wollten, seien nicht parlamentarisch legitimiert, setzt die an der Freien Universität lehrende Politologin eine Analyse der Entscheidungsprozesse hinter den Griechenland-Hilfen entgegen. Ein demokratisches Defizit sieht sie nicht – jedoch schwächelnde Europaverantwortung der nationalen Parlamente.

Sie verweist zunächst auf die Genese des Hilfsprogramms, ohne dessen Gewährung Griechenland schon ab 2010 Ausgabenstreichungen und Abgabenerhöhungen in Milliardenhöhe hätte durchziehen müssen:

„Am Anfang steht der Kreditantrag des Landes, verbunden mit seinem Entwurf für ein ökonomisches Anpassungsprogramm, mit dem die Hauptziele erreicht werden sollen: Stabilität des Finanzsektors, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Senkung der Haushaltsdefizite, die ja nur für eine begrenzte Zeit durch die Kredite aus den Rettungsschirmen gedeckt werden sollen. In Griechenland betrugen die Defizite von 2010 bis 2013 insgesamt 85 Milliarden Euro. Ohne die Hilfskredite der Euro-Staaten wären in gleichem Umfang zusätzliche Streichungen und Abgabenerhöhung notwendig geworden. Die konkreten Maßnahmen des Programms beruhen häufig auf Empfehlungen anderer Institutionen, etwa der OECD, und sie tragen im Rahmen der allgemeinen Ziele die politische Handschrift der jeweiligen Regierung.“

Das Reformprogramm selbst werde nicht von der Troika beschlossen, sondern von den Finanzministern der Eurogruppe – einstimmig, das heißt, auch mit Zustimmung des griechischen Kollegen:

„Die Troika überprüft die Umsetzung. Hiervon hängt ab, ob weitere Kredittranchen ausgereicht werden. Die Umsetzung oder Nichtumsetzung des Programms liegt in der Verantwortung von Parlament und Regierung des betreffenden Mitgliedstaates und auch dies spiegelt die jeweiligen politischen Prioritäten wider. Ob das jeweilige Parlament von Beginn bis zum Abschluss eines Programms intensiv eingebunden ist, hängt von der Verfassung des Landes und seiner Stärke ab. In den vierteljährlichen Überprüfungsberichten kann das Programm verändert werden. So kann eine neue Regierung – wie bei Griechenland – ihre Reformvorschläge einbringen. Aber auch die Änderung muss von der Euro-Gruppe einstimmig beschlossen werden.“

Ein demokratisches Defizit kann Schreyer bei alldem nicht erkennen:

„Die Finanzminister sind für ihre Entscheidungen ihren nationalen Parlamenten verantwortlich und werden von diesen kontrolliert. In einigen Mitgliedstaaten sind die Parlamente als Haushaltsgesetzgeber direkt in die Entscheidungen über die Kredithilfen eingebunden.“

Schreyer plädiert für weniger Populismus auf allen Seiten der Debatte – und für mehr gesamteuropäisches Verantwortungsgefühl der nationalen Parlamentarier. Der Bundestag habe bei seinen Entscheidungen für Kredithilfen seine nationale Budgetverantwortung als Integrationsverantwortung für das gesamte europäische Projekt wahrgenommen. Er dürfe damit nicht alleinstehen:

„Damit sich die Wirtschaft- und Währungsunion in dieser Weise vertiefen kann, ist eine solche Europaverantwortung der nationalen Entscheidungsträger in allen Mitgliedstaaten der Euro-Zone, eben einschließlich Griechenlands, erforderlich.“

Den Link zum vollständigen Text finden Sie hier.