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EBD Dialog | Außenminister Vella über Maltas Rolle in der europäischen Außenpolitik

Beim ersten EBD Dialog nach der Sommerpause am 6. September gab es angesichts des  gerade in diesem Jahr von einer Vielzahl einschneidender Ereignisse geprägten Sommers ein überaus breites Themenspektrum aufzuarbeiten: Terroristische Anschläge in Frankreich, Deutschland und der Türkei, eine neue Stufe der Eskalation im Syrienkrieg und die nach wie vor dramatischen Bedingungen, unter denen sich wöchentlich tausende von Menschen aus dem Nahen Osten und Nordafrika auf die Flucht über das Mittelmeer nach Europa begeben; insbesondere im Hinblick auf die Außen- und Sicherheitspolitik war Europa selten so gefordert wie aktuell. Zudem werden zeitgleich nationalistische und rechtspopulistische Stimmen europaweit immer lauter, und mit Großbritannien kündigte im Juni zum ersten Mal in der Geschichte der EU ein Mitglied seinen Austritt aus der Staatengemeinschaft an.

Im Kontext all dieser politischen Herausforderungen hätte wohl kaum ein geeigneterer  Dialogpartner zur Verfügung stehen können als Dr. George Vella, Außenminister der Republik Malta und EU-Ratsvorsitzender im ersten Halbjahr 2017.  Welche außenpolitischen Prioritäten verfolgt Malta, insbesondere im Laufe der kommenden Ratspräsidentschaft? Welche Rolle kann und wird Malta in der Flüchtlingsfrage einnehmen? Wie kann nachhaltig Stabilität in die Beziehungen zu den südlichen EU-Nachbarstaaten sowie den „Nachbarn der Nachbarn“ an der Peripherie Europas – einschließlich des Iran – gebracht werden? Und welche Auswirkungen wird das Brexit-Votum auf die besonderen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der ehemaligen britischen Kolonie Malta haben, die mit Joseph Muscat auch den derzeitigen Vorsitzenden der Commonwealth of Nations stellt?

In der rund neunzigminütigen Veranstaltung bezog Vella zu all diesen Fragen konkret Stellung. Ein Schwerpunkt war vor allem das Verhältnis zu den Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas; nicht zuletzt aufgrund seiner geografischen Lage habe Malta die Entwicklungen in den nordafrikanischen Staaten seit Ausbruch des sogenannten „arabischen Frühlings“ besonders im Blick. Ägypten, Libyen und Tunesien wieder zu politischer Stabilität zu verhelfen läge im gemeinsamen Interesse von Malta, Deutschland und der gesamten Europäischen Union, betonte Vella. Darüber hinaus sei es von essentieller Bedeutung, Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Europäischen Gemeinschaft in puncto Flüchtlingspolitik beizulegen und sich auf der Suche nach einer humanitären Lösung verhandlungs- und kompromissbereit zu zeigen; Migration sei eine gemeinsame Herausforderung und Verantwortung, mit der kein Land im Alleingang fertig werden könne. Auch und insbesondere eine „stabile, geeinte Türkei“ sei hierbei als Partner von zentraler Bedeutung.

Weiter sprach sich Vella für eine gemeinsame, nachhaltige Strategie in der Bekämpfung von Fluchtursachen, allen voran transnationaler terroristischer Gewalt, aus. Malta sei, wie auch Deutschland, der Auffassung, dass militärische Intervention in Krisenherden wie dem Nahen Osten langfristig zu keinerlei Stabilität führen könne. Vielmehr müsse die Europäische Gemeinschaft ihr Augenmerk auf die Förderung von Bildungs- und damit Zukunftschancen für die junge Bevölkerung legen, um der Gefahr der Radikalisierung aufgrund von Perspektivlosigkeit frühzeitig und effektiv entgegenzuwirken. Hierzu müsse die Europäische Union einen gemeinschaftlichen Beitrag leisten; durch Förderung von Jugendbildung, zivilgesellschaftlichen Initiativen sowie multikulturellem Dialog in der arabischen Welt. Auch solle die Europäische Union solle in ihrer Sicherheitspolitik vorausschauend agieren und über ihre Grenzen hinausblicken; hierzu gehöre auch eine Konsolidierung der Beziehungen zum Iran als regionalem Schwergewicht.

Obwohl das Thema Brexit insgesamt etwas in den Hintergrund der Veranstaltung rückte, äußerte sich Vella auch hierzu deutlich: Die Entscheidung, die EU zu verlassen, werde einen Umbruch in den politischen und ökonomischen Beziehungen von Großbritannien zur EU und umgekehrt nach sich ziehen, dessen volle Tragweite sich derzeit nur schwer einschätzen lasse. Fakt sei, angesichts zahlloser neu auszuverhandelnder bilateraler Verträge in den kommenden Jahren, dass Großbritannien in Zukunft nicht mehr das Land sein werde, das es als EU-Mitglied war. In seiner Schlussbemerkung versprach Vella, sich als Ratsvorsitzender für eine Stärkung des innereuropäischen Dialogs sowie für eine engere Bindung zu den EU-Nachbarstaaten einzusetzen; nur so seien zukünftige internationale Herausforderungen zu bewältigen.

 

Gemeinsame Strategien in der Migrationspolitik sowie der Außen- und Sicherheitspolitik der EU sind auch Teil der Politischen Forderungen 2016/17 der EBD. Auf unserer Themenseite zu Malta haben wir darüber hinaus weitere Informationen bezüglich möglicher Kooperationspartner, Geschäftskontakte und Gleichgesinnten vor Ort aus Politik, Wirtschaft und Kultur für Sie zusammengestellt. Dies entspricht auch unserer Forderung nach einer „European Public Diplomacy“, um den grenzüberschreitenden zivilgesellschaftlichen Austausch in Europa zu fördern.