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Wirtschaft & Finanzen

„Und dann war da noch Griechenland…“ | „Grexit“-Debatte dominiert EBD De-Briefing Rat ECOFIN

Was ist nicht alles geschrieben worden über die Krise in Griechenland, die sich in den letzten zwei Wochen mit Gipfelmarathon, Verhandlungsabbruch und Referendumsankündigung endgültig überschlagen hatte. In der Presse polarisiert, in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert – die unzähligen Verhandlungsversuche über ein Reformpaket und neue Finanzhilfen für das wirtschaftlich marode EU-Mitglied lassen auch die politischen Entscheidungsträger nicht kalt. Von Enttäuschung, Ärgernis und schwindender Hoffnung war zuletzt immer deutlicher die Rede. In unserem heutigen EBD De-Briefing zum Rat Wirtschaft und Finanzen (Ecofin) wurde aber auch klar: Die Verhandlungen werden unabhängig vom Ausgang des Referendums weitergeführt, ein „Grexit“ sei keinesfalls die logische Konsequenz.

Um die aktuelle Situation einzuordnen, berichtete Thomas Westphal, Abteilungsleiter für Europapolitik im Bundesministerium der Finanzen über die letzten Entwicklungen. Die etwa 60 Anwesenden scheuten die Hitze nicht, sodass die EBD-Galerie bis auf den letzten Platz gefüllt war. Mareen Hirschnitz, stv. Generalsekretärin der EBD moderierte.

Gleich zu Beginn des De-Briefings wurde jedoch deutlich, dass – bei aller gebotenen Priorität – die Griechenland-Verhandlungen nicht das einzige Thema im Rat waren und auch nicht sein dürften. Der normale Politbetrieb müsse mit aller Weitsicht aufrechterhalten werden. Dabei wurden vier wichtige Zukunftsfragen angesprochen. Die durchgeführten Reformen und EU-Hilfsprogramme in Zypern und Portugal haben Wirkung hinterlassen. Beide ehemals angeschlagenen Länder würden sich wirtschaftlich langsam wieder erholen. Das aktuelle „Europäische Semester“ konnte positiv abgeschlossen werden: Die sogenannten „Länderspezifischen Empfehlungen“ für Fragen der Haushaltsdisziplin und nationalen Wirtschaftlichkeit würden noch im Juli beschlossen werden, sodass eine zeitnahe Umsetzung durch die nationalen Regierungen erfolgen könne. Beim Thema Bankenregulierung und Kapitalmärkte zeige sich hingegen ein zwiespältiges Bild. Die angestrebte Standardisierung und Harmonisierung in diesem Bereich schreite langsamer als erhofft voran. Elf EU-Länder hätten das Rahmenwerk noch nicht umgesetzt, sodass Banken noch nicht europaweit mit einheitlichem Maßstab restrukturiert und gegebenenfalls abgewickelt werden könnten. Im Bereich der europäischen Steuersysteme ringe man ebenfalls um einheitliche Modelle für den europäischen Binnenmarkt – insbesondere im Bereich der Unternehmensbesteuerung. Hier gelte es wettbewerbsverzerrende Faktoren auszuschließen, Rechtssicherheit zu schaffen und die nationalen Systeme transparenter zu machen.

„Und dann war da noch Griechenland“, kam schließlich die Überleitung zum für die meisten Beobachter sicherlich spannendstem Thema des Tages, so dass in der folgenden Stunde der Verhandlungsmarathon der letzten Woche im Fokus stand. Das Feilschen um die notwendigen Reformen in Griechenland habe bei allen Beteiligten Spuren hinterlassen. Immer neue Vorschläge wurden einander gegenübergestellt bis es letztlich zum Verhandlungsabbruch und der Ankündigung eines nationalen Referendums seitens der griechischen Regierung gekommen sei. Anders als einige Beobachter vermuteten, habe eine Einigung jedoch nicht unmittelbar bevor gestanden.

Nach dem letzten geplatzten Vermittlungsversuch habe die griechische Regierung doch noch ein neues Angebot vorgelegt, dabei aber missachtet, dass die Auszahlung der letzten Tranche aus dem zweiten Rettungspaket zu diesem Zeitpunkt rein technisch gar nicht mehr möglich war. Aktuell stehe – das Referendum vor Augen – ein griechisches Verhandlungsangebot im Raum, dass dennoch die Auszahlung der letzte Tranche und zudem die Antragsannahme auf ein neues Hilfsprogramm erbitte. Die Eurogruppe werde sich nach dem Referendum damit auseinandersetzen – unabhängig von dessen Ausgang. Die Verhandlungen würden somit sicher weiter gehen. All diese Unwägbarkeiten führten letztlich dazu, dass besonders das griechische Volk leiden müsse. Die Spitze des Eisberges sei womöglich noch gar nicht erreicht.

Die Möglichkeit zur offenen Fragerunde während des De-Briefings wurde von den Anwesenden rege in Anspruch genommen. Dabei wurde deutlich, dass der europäischen Staatengemeinschaft existenzielle Zukunftsentscheidungen bevorstünden. Die Auswirkungen eines möglichen Euroaustritts Griechenlands würden unmittelbar mit zentralen Fragen der weiteren politischen und wirtschaftlichen Integration zusammen hängen, „Entscheidungen, die die EU verändern werden“. Bei aller konstruktiven Kritik an den institutionellen Gläubigern dürfe nicht vergessen werden, dass eine ganz ähnliche Rettungspolitik in Spanien, Portugal und Zypern zu entscheidenden Richtungsänderungen geführt habe. Diese Länder seien auf dem Weg der wirtschaftlichen Gesundung. Innen- wie wirtschaftspolitisch sei Griechenland im Moment ein „unique case“, für den es in naher Zukunft keine simple Lösung geben werde. In nächster Zeit müsse es in erster Linie darum gehen, überhaupt wieder einen Schritt nach vorn zu machen, damit die unzähligen „Beratungsgipfel“ irgendwann von „Entscheidungsgipfeln“ abgelöst werden könnten.

Angesichts der angespannten Lage und kurz vor dem anstehenden Referendum wendet sich auch die Europäische Bewegung International (EMI) in dieser Woche mit einem eindringlichen Appell an das griechische Volk. Hier gelangen Sie zum Offenen Brief im Wortlaut.

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