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  • 18.03.2014 - 14:19 GMT

Politischer Club der Evangelischen Akademie Tutzing: Kalte Kriegsangst am Starnberger See

Gesichter aus dem Kalten Krieg blickten auf ein improvisiertes Podium in der Evangelischen Akademie Tutzing. Zunächst sollte darum gehen, welche Perspektiven junge Menschen in Europa haben. Prof. Daniel Göler von der Uni Passau, EBD-GS Bernd Hüttemann und der französische Generalkonsul Emmanuel Cohet hatten den Auftrag, junge Meinungen zur aktuellen Entwicklung der europäischen Integration zu diskutieren. Es kam anders.

Kurz vor dem Podium wurde der als Teilnehmer anwesende russische Generalkonsul Andrej Grozov zum Podiumspartner. Natürlich drehte sich die Diskussion nun kaum noch um die Zukunft Europas. Es war offensichtlich, dass ein Panel mit einem russischen Generalkonsul einen Tag vor dem Referendum auf der Krim nicht munter über das junge Europa sprechen kann, während paramilitärische russische Truppen die Grenzen  zur Restukraine abriegeln und weitere Sanktionen des Westens erwartet werden.

Hüttemann und Göler blieben zwar beim vorgebenen Thema, gaben aber gleich zu Beginn klar zu verstehen, dass sie das Handeln der russischen Föderation auf der Krim missbilligen. Besonders Göler von der EBD-Mitgliedsorganisation Opens internal link in current windowUniversität Passau fand klare Worte und warf Russland mit paramilitärischen Truppen vor, Völkerrecht zu brechen. Der russische Generalkonsul warf Göler daraufhin Kalte-Kriegs-Rhetorik vor. Er negierte, dass russische Truppen jenseits der Krimflotte anwesend seien. Er beschuldigte den Westen, eine illegitime Regierung zu unterstützen, die mit Gewalt an die Macht kam. Hüttemann machte deutlich, dass die Umwälzungen in der Ukraine legitim seien. Junge Menschen wollten nach Europa.Die EBD setzte sich seit 1949 für die europäische Integration ein, auch um  Jugendlichen eine Zukunft zu bieten. Auch in der Europäischen Union seien Jugendliche stets proeuropäischer als die älteren Generationen. Vor allem sei es ein Unding, dass das von den Demonstranten auf dem Maidan durchgesetzte Assoziierungsabkommen mit der EU ein Grund für Truppen auf der Krim sei.

War die Reaktion des russischen Diplomaten vorauszusehen, so erstaunte die des Publikums. Grozi wurde laut Süddeutscher Zeitung zum "Publikumsliebling". Mit zum Teil wildem Applaus wurden die Thesen des Generalkonsuls unterstützt. Die Diskussionsbeiträge der zumeist älteren Teilnehmenden im Publikum waren überwiegend geprägt von geopolitischem Verständnis für das Vorgehen Russlands.

In Einzelgesprächen gaben prominente Anwesende unterschiedliche Interpretationen der Publikumsreaktionen ab. Viele Teilnehmer waren Unterstützer des AfD-Chefs Bernd Lucke, der ebenfalls auf der Tagung  sprach. Eine nationalkonservative Klientel sympathisiert offensichtlich mit dem derzeitigen russischen Gesellschaftsmodell. Es herrschte ferner eine große Angst vor einem neuen Weltkrieg. Man möchte schlicht den "russischen Bären" nicht reizen. Der Brüsseler ARD-Korrespondent Christian Feld kommentierte als ein "ein Paradebeispiel, wie eine Kommunikation schief laufen kann und  eigentliche Inhalte keine Rolle mehr spielen". Der Münchner Student Andreas Mehltretter (@Mehli) twitterte, dass ein anderer Teil des Publikums erstaunt, gar geschockt sei. "Ich war zu schockiert, um was zu sagen. Göler und @huettemann haben aber zum Glück stark dagegen gehalten…"

Auf der Frühjahrstagung des Politischen Clubs berieten Politiker aller Parteien über die Europawahl im Mai 2014. Ist Europa Heimat? Welche Rolle kommt Deutschland in Europa zu? Welche Bedeutung haben die Regionen? Und welche Perspektiven haben junge Menschen in Europa?

Im Bild (v.l.n.r.): der russische Generalkonsul Andrej Grozov, EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann und Prof. Dr. Daniel Göler, Universität Passau

© Foto: Evangelische Akademie Tutzing