Aktuelles > Keine Spur von Ruhestand – die EBD wird 65

Artikel Details:

Europäische Wertegemeinschaft, Institutionen & Zukunftsdebatte

Keine Spur von Ruhestand – die EBD wird 65

Zwei Schmid(t)s und jede Menge Blumen: Die Europäische Bewegung Deutschland feierte ihren 65. Geburtstag mit einer Gleichaltrigen, einer historischen Rede und rund 200 Gästen beim EBD Netzwerk-Tag. Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt, die am Gründungstag der EBD, dem 13. Juni 1949 geboren wurde, gratulierte mit einem Grußwort. Statt einer Festschrift legte die EBD die visionäre Gründungsrede „Deutschland und der Europäische Rat“ von Carlo Schmid neu auf.

Der Staatsrechtler Prof. Carlo Schmid, einer der Väter des Grundgesetzes, hatte bei der Gründung der EBD (damals noch als „deutscher Rat der Europäischen Bewegung“) am 13. Juni 1949 gesprochen und die Überwindung der Nationalstaaten zugunsten einer europäischen Ordnung gefordert: „Wenn die europäischen Völker nicht zugrunde gehen sollen, dann genügt ein Organ für die Koordination nationaler Interessen nicht. Dann wird man schon eine echte politische, ökonomische und konstitutionelle Einheit schaffen müssen.“

schmidrede

Die Lehre, die Carlo Schmid damals aus zwei Weltkriegen zog, war einfach: „Entweder wir schaffen dieses gemeinsame Europa oder wir gehen unter.“ 100 Jahre nach Beginn des Ersten und 75 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs habe diese Einsicht nichts von ihrer Aktualität verloren, resümiert Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit Blick auf die Ukraine-Krise in dem Vorwort, das er zur der Neuauflage der Rede beigesteuert hat. Die Publikation ist auch online verfügbar.

Dass kurz nach Kriegsende eine europäische Einigung weit entfernt schien, stellte Mit-Geburtstagskind Ulla Schmidt in ihrer Rede heraus. Damals seien die Gründer der Europäischen Bewegung belächelt worden: „Wahrscheinlich haben alle gesagt, das sind Fantasten, über solche Utopien zu reden!“ Heute dagegen, geschichtlich gesehen „kurze“ 65 Jahre später, sei es selbstverständlich geworden, „dass wir heute diesseits und jenseits der Grenze als Freundinnen und Freunde miteinander leben, dass die Ablehnung  verschwunden ist, nicht nur bei der jungen Generation, sondern auch bei vielen älteren Bürgerinnen und Bürgern.“ Diese Entwicklung habe auch zu tun mit dem 65-jährigen Engagement der EBD: „Denn Sie sind ja das größte zivilgesellschaftliche Netzwerk, das diese Einigung mit vorangebracht hat.“

Noch ist nicht genug getan

Doch sei auch nach 65 Jahren noch nicht genug getan. „Europa und ein friedliches Zusammenleben sind nicht selbstverständlich. Gerade in diesem 65. Jahr gibt es Bedrohungen, wie wir sie bisher kaum kennengelernt haben“, mahnte Schmidt mit Blick auf die Lage in der Ukraine. „Ich verstehe nicht, dass die Menschen nicht zur Europawahl gegangen sind, denn was dort gerade passiert, hätte für den Ausbruch des Ersten, des Zweiten und wohl auch des Dritten Weltkriegs gereicht.“ Nur, weil es inzwischen gelungen sei, andere Strukturen aufzubauen, weil Europa versuche, mit einer Stimme zu sprechen, gehe es voran. „Sie werden weiterhin gebraucht“, gab die Bundestagsvizepräsidentin der EBD mit auf den Weg und äußerte die Hoffnung, „dass wir dann auch den 70. und 80. Geburtstag gemeinsam feiern können und das immer noch in einem friedlichen Europa, in dem die Menschen aufeinander zugehen und miteinander reden.“
Mit Dank für diese verbalen „Blumen“ ihres Grußworts überreichte EBD-Präsident Dr. Rainer Wend Ulla Schmidt seinerseits einen Geburtstagsstrauß, bevor Gunther Krichbaum MdB, Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Deutschen Bundestag, die Rolle der Parlamente unter die Lupe nahm. Er sprach über „Europäische Gesetzgebung im Schnelldurchgang? Zwischen Effizienz und Partizipation“, doch vorher gratulierte auch er: „Mit 65 geht man in den Ruhestand – die EBD hoffentlich nicht! Denn die EBD war wahrscheinlich noch nie so berechtigt wie heute!“ Krichbaum dankte auch dem Auswärtigen Amt für die institutionelle Förderung der EBD. Das Modell des zivilgesellschaftlichen Netzwerks solle eine „Blaupause für viele andere Länder Europas“ sein, wünschte er sich und betonte, dass die EBD stets auf die Unterstützung des Deutschen Bundestages zählen könne.

AA und EBD ziehen an einem Strang

IMG_2959

Die des institutionellen Partners Auswärtiges Amt ist der EBD nach den Worten von Markus Ederer, Staatssekretär im AA, ebenfalls sicher: „Das Auswärtige Amt schätzt sich glücklich, weiterhin eng mit Ihnen zusammenarbeiten“, schrieb er der EBD ins Gästebuch. Auch in seinem Grußwort hob er das gemeinsame Ziel hervor: „Wir müssen Europa besser kommunizieren: Wir müssen Europa überzeugend begründen und belegen, dass die EU weiterhin das beste Mittel ist, um Lösungen für die großen Fragen der Zukunft zu finden.“ Da es der EBD gelungen sei, eine moderne Form der Europakommunikation zu etablieren, setze das AA als das europakoordinierende Ressort auf die EBD als Mittlerorganisation: „Sie, die EBD und ihre Mitgliedsorganisationen aus nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen, sind unsere besten ,Anwälte‘, um kompetent für die positiven Wirkungen der europäischen Integration zu werben.“ Ederer begrüßte, dass die EBD das nicht nur in Deutschland tue, sondern sich auch für den Aufbau einer pro-europäischen Öffentlichkeit engagiere. Der „europäische Frühling“ müsse immer wieder neu erkämpft werden. EBD und AA zögen hier an einem Strang: „Wir wollen nicht weniger Europa, wir wollen ein besseres Europa.“

Glückwünsche kamen auch aus Brüssel: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gratulierte in einer Videobotschaft an die EBD-Mitglieder und Gäste. „EBD has performed a vital role in bringing the EU closer to its citizens, and in bringing citizens‘ concerns to the European level. Thanks to the commitment and professionalism of its people the EBD has almost doubled its membership over the last 10 years. This is a great achievement and also an indicator of its importance on the European stage.“ Barroso schloss auf Deutsch: „Machen Sie weiter, wir brauchen Sie!“