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Parlamentarismus und pluralistische Demokratie stärken
Für die gesellschaftliche Stabilität ist es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht auf Distanz zu den Institutionen gehen. Das betrifft die nationalstaatlichen ebenso wie die europäischen. Umso dringender müssen politische und staatliche Akteurinnen und Akteure auf allen Ebenen Vertrauen zurückgewinnen. Eine lebendige und vertrauenswürdige europäische Demokratie braucht starken Parlamentarismus und Pluralismus.
- Mut zur Umsetzung notwendiger Reformen
Russlands Bruch mit der europäischen Friedensordnung und seine tiefgreifenden Auswirkungen erfordern, dass es keine weitere Aufschiebung der demokratischen und institutionellen Anpassungen der europäischen Institutionen an die politischen Realitäten geben darf. Dies gilt für die EU wie auch für den Europarat, der nach dem Rauswurf Russlands in seiner demokratischen DNA und Rolle als Gestaltungsforum des Größeren Europas gestärkt werden muss.
Mit Blick auf die EU zeigen die 49 Vorschläge der Konferenz zur Zukunft Europas einen Lösungsweg zur Stärkung ihrer Handlungsfähigkeit. Nun braucht es Mut und Entschlossenheit zur Umsetzung der Ergebnisse in einem transparenten Verfahren, an dem gesellschaftliche Kräfte strukturiert einbezogen werden müssen. Die Vorschläge können aber nur politische Realität werden, wenn die EU-Institutionen alle Möglichkeiten der bestehenden EU-Verträge, einschließlich der Passerelle-Klauseln, voll ausschöpfen.
Gleichzeitig muss der Europäische Rat dem Vorschlag des Europaparlaments zur Initiierung eines Europäischen Konvents nach Art. 48 EUV zustimmen. Schließlich haben die Covid-19-Pandemie wie auch die aktuelle Energiekrise die Notwendigkeit nach stärker integrierten Energie- und Gesundheitspolitiken offengelegt, die nur mit Vertragsänderungen gelingen kann. Die Bundesregierung sollte daher ihr Ziel aus dem Koalitionsvertrag fest verfolgen, ihr politisches Gewicht als Vertreterin des größten Mitgliedstaates einbringen und einen Konvent einberufen. Gesellschaftliche Kräfte sollten in diesen Prozess nicht marginalisiert werden.
Ebenso und drittens fordern wir unsere Mitgliedsparteien und ihre europäischen Parteienfamilien auf, die Zukunftskonferenz zur Themengrundlage für die Europawahl 2024 zu machen.
- Europaparlament stärken und Mehrheitsentscheidungen im Rat ausweiten
Die Vorschläge der Zukunftskonferenz sehen explizit eine Stärkung des Europaparlaments vor. Wir fordern daher, dass einzige von den Bürgerinnen und Bürgern direkt legitimierte EU-Organ mit einem Initiativrecht im Gesetzgebungsprozess auszustatten, sei es durch interinstitutionelle Vereinbarungen oder durch Vertragsänderungen.
Mit Blick auf die Europawahl 2024 sollte die Kommission glaubwürdig von einer nachhaltigen Koalitionsmehrheit im Europaparlament getragen werden. Wir appellieren daher an die politischen Parteienfamilien, Spitzenkandidatinnen und -kandidaten für das Präsidentschaftsamt der Europäischen Kommission aufzustellen, die sie dann durch den gesamten Prozess – besonders bei der Benennung im Europäischer Rat und bei der Wahl im Europaparlament – unterstützen. Hierbei sollten die Mitgliedstaaten der entsprechenden Erklärung zum Vertrag von Lissabon folgen. Im Gegenzug sollte die EU das Recht des Europaparlaments, einen Misstrauensantrag gegen die Kommission zu stellen, zu einem konstruktiven Misstrauensvotum weiterentwickeln.
Als notwendige Grundlage für das Spitzenkandidatensystem sehen wir ernsthafte Fortschritte hin zu einem einheitlichen Europäischen Wahlrecht. Die Einführung transnationaler Listen und grenzüberschreitender Wahlkreise halten wir innerhalb eines neuen Wahlrechts für sinnvoll und ermuntern, ein einheitliches Wahlalter ab 16 Jahren zu beschließen. Der Rat muss daher dringend und zeitnah zu einer Einigung zum EP-Vorschlag kommen, damit die Änderungen vor der Europawahl rechtzeitig ratifiziert und umgesetzt werden können.
Für die EU als demokratische und handlungsfähige Gemeinschaft ist es schließlich wichtig, dass Entscheidungen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, also per Mehrheitsentscheidung im Europaparlament und Rat, getroffen werden. Nationale Vetos sind hiermit grundsätzlich nicht vereinbar und das Erfordernis der Einstimmigkeit im Rat muss daher eine gut begründete Ausnahme sein.
- Europäische pluralistische Demokratie fördern
Die pluralistische Demokratie muss auf allen Ebenen, beginnend bei den Kommunen und den Ländern, gefördert werden. Dazu braucht es eine strukturelle Einbindung aller politischen Ebenen in die Gesetzgebungsverfahren im Sinne einer Mehrebenengovernance. Nicht nur die Bürgerinnen und Bürger brauchen bessere demokratische Beteiligungsmöglichkeiten in der EU, sondern auch institutionelle Entscheidungstragende und Interessengruppen. Dies schließt die Mitwirkungsrechte der nationalen Parlamente ein.
Demokratische Entscheidungsprozesse, wie z.B. in repräsentativen Verbänden und Vereinen, stärken das Verständnis für die Politik auf allen Ebenen und stärken die Legitimierung von Entscheidungen. Wir fordern daher, diese „Demokratie im Kleinen“ durch die Einführung eines europäischen Vereinsrechts zu festigen, und appellieren an die EU-Kommission, der entsprechenden Entschließung des Europaparlaments von Februar 2022 Folge zu leisten. Es braucht eine systematische Stärkung der Engagementpolitik und eine umfassende Strategie der Kommission zur Unterstützung gesellschaftlicher Kräfte in Europa. Ebenso sollte die EU Projekte für Demokratieförderung und Extremismusprävention verlässlich und bedarfsorientiert fördern. Ähnlich wie das geplante Demokratiefördergesetz in Deutschland müssen die EU-Mitgliedstaaten hierfür gesetzliche Grundlagen schaffen.
Zur Erleichterung der europaweiten Verständigung und zur besseren Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit der europäischen Demokratie muss sowohl in der Außenkommunikation als auch in der visuellen Außendarstellung der EU-Institutionen die europäische Sprachenvielfalt berücksichtigt werden. Beteiligungsmöglichkeiten dürfen nicht durch sprachliche Hürden behindert und entscheidungsrelevante Dokumente müssen in allen Amtssprachen der EU veröffentlicht werden.
Hier finden Sie aktuelle Nachrichten zu unserer Politik und von unseren Mitgliedsorganisationen:
- EM Germany Newsletter CW 12/2023 | European Summit and Strategic Sovereignty
- EM Germany Newsletter CW 10/2023 | Women of Europe
- EBD-Newsletter KW 47/2022 | Europäische Migrations- und Asylpolitik
- EBD-Newsletter KW 45/2022 | Nachlese zum Westbalkan-Gipfel in Berlin
- Frischer Wind und vorsichtiger Optimismus nach langer Flaute | EBD De-Briefing zur zweiten CoFoE-Plenarversammlung
- Migrations- und Asylpolitik ist neue EBD-Priorität | Beschluss der Mitgliederversammlung
Nachrichtenschlagworte: Parlamentarismus, Zukunft der EU, CoFoE