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Frau Europas 2016: Adriana Lettrari

Foto: privat

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Eine konkrete Frage treibt Adriana Lettrari seit dem Jahr 2009 um: Welche Rolle spielt die einstige Teilung des europäischen Kontinents in dem Leben der Kinder der Friedlichen Revolution 1989? Mit dem von ihr gegründeten Netzwerk 3te Generation Ostdeutschland erforscht sie die Erfahrung der Wende als Chance und denkt die unterschiedliche Sozialisierung in Ost und West bewusst europäisch.

Die Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin, 1979 in Neustrelitz geboren und in Rostock aufgewachsen, hat die deutsche Teilung und die Spaltung Europas und der ganzen Welt durch den Eisernen Vorhang noch als Kind miterlebt. Die prägenden Jugendjahre verbrachte sie wie die Mehrzahl der 2,4 Millionen heute 30- bis 40-jährigen „Wendekinder“ im wiedervereinigten Deutschland. Die zwischen 1975 und -85 in der DDR Geborenen sind in zwei politischen Systemen aufgewachsen: in der DDR geboren und in einem geeinten Europa erwachsen geworden. Sie haben zwei kulturelle Sprachen gelernt und sind durch diese Entwicklung zu VermittlerInnen zwischen zwei Welten geworden. Veränderungen und Krisen sind ihnen bekannt – sie wissen, dass plötzlich alles ganz anders kommen kann und verfügen über die Kompetenz und Widerstandskraft, Veränderungen mitzugestalten: eine Transformationskompetenz.

Durch das von ihr gegründete „Netzwerk 3te Generation Ostdeutschland“ lässt Adriana Lettrari diese spezifischen Erfahrungen und Fähigkeiten der Wendekinder sichtbar werden, denn sie sieht eine doppelte Sozialisation – ähnlich denen von Diplomatenkindern – nicht nur als Last, sondern als Chance. Denn durch die unterschiedliche Sozialisierung in Ost und West vereinen die Wendekinder in ihrer Person das, was dem heutigen und zukünftigen Europa inhärent ist: die Summe einer ost- und westeuropäischen kulturellen Identität. Diesen Erfahrungshorizont eines „Third Culture Kids“ teilen die Wendekinder mit der gleichaltrigen Generation in den osteuropäischen Nachbarstaaten. Mit ihnen über die Erfahrung des rasanten, zumeist geglückten „Wandels“ und der aus dieser besonderen historischen Situation gewachsenen Transformationskompetenz einen grenzüberschreitenden Dialog zu führen, ist eines der Anliegen des „Netzwerks 3te Generation Ostdeutschland”. Denn für ein weiter zusammenwachsendes Europa, welches sich gerade großen Herausforderungen ausgesetzt sieht, ist es unabdingbar das Wertefundament der Wendekinder und ihrer osteuropäischen Generationsangehörigen fruchtbar und tragfähig zu machen: ihren Improvisations- und Entwicklungsgeist, ihren Mut, zu neuen Ufern aufzubrechen und ihren Willen, ihre Wirksamkeit jederzeit zu entfalten.

Mit dem kürzlich von Adriana Lettrari initiierten und von Ost-, West- und Migranten“kindern“ veröffentlichten Memorandum „Wir fangen einfach an“ plädiert die „Generation Deutsche Einheit“ der Jahrgänge 1975 bis 1985 in 21 Statements für eine pluralistische und offene Haltung zur Lösung der aktuellen, auch gesamteuropäischen Zukunftsfragen. Das Datum – der 9. November – hätte symbolischer nicht sein können, fand Adriana Lettrari, als sie erfuhr, dass die Wahl der Jury unter elf Kandidatinnen auf sie gefallen war: „Die Nachricht erreichte mich im Jubiläumsjahr 25 am Tag des Mauerfalls und stellt eine ausgesprochen große Ehre dar. Ich empfinde diese Auszeichnung stellvertretend für die vielen engagierten Menschen in Ost- und Westdeutschland sowie vielen anderen Ländern als eine hohe Anerkennung für ein neues pluralistisches Selbstverständnis der heute 30- bis 40jährigen in Europa. Sie sind die zukünftigen Entscheiderinnen und Entscheider; aus diesem Grund ist ihre Wertorientierung von herausragender Bedeutung und bekommt durch diesen Preis eine Wertschätzung, die uns weiter vorantreibt.“

Im November 2017 wurde Lettrari auch der Women of Europe Award in der Kategorie „Woman in Action“ verliehen. Die von der Europäische Bewegung International und der European Women’s Lobby ausgelobte Auszeichnung wird auf internationaler Ebene, nach einigen Jahren der Unterbrechung, seit 2016 wieder vergeben.

Der Festakt zum 25. Jubiläum des Preis Frauen Europas fand am 8. November 2016 statt. | zur Pressemitteilung

Nachbericht zum „Women of Europe Award“

Interview mit Adriana Lettrari: „Was die Wendekinder Europa zu geben haben

Steckbrief

Hintergrundinformationen zum Europa-Engagement Adriana Lettraris und organisatorische Hinweise z.B. für Vortragsanfragen stellt Ihnen unser Steckbrief zusammen.