Pressemitteilung
Bürgerdialoge zur Zukunft Europas: Wenn, dann richtig! EBD-Vorstand und Spitzenverbände nehmen Stellung
Berlin. „Wenn Bürgerdialoge zur Zukunft Europas, dann richtig.“ Ein breites Bündnis in der Europäischen Bewegung Deutschland e.V. aus Vorstand und Spitzenverbänden gibt positive Antworten auf Diskussionsbedarf, mahnt aber Sorgfalt, Repräsentativität und demokratische Einbindung an.
Auch dieses Jahr führt die Bundesregierung wieder Projekttage zu Europa an Schulen durch, dieses Jahr unter dem Label „Bürgerdialoge“. Am Montag startet die Bundeskanzlerin mit einem Besuch in der Jane-Addams-Schule die im Koalitionsvertrag (Seite 6) angekündigten Konsultationen zur europäischen Zukunft. Nach diesem Auftakt der Kanzlerin sollen bis zum Europäischen Rat im Dezember insgesamt 100 Dialogveranstaltungen in ganz Deutschland stattfinden. In den folgenden Monaten suchen Ministerinnen und Minister sowie Staatssekretärinnen und Staatssekretäre deshalb den Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern.
Auch die Europäische Bewegung Deutschland e.V. (EBD) fordert, dass der Austausch zwischen Gesellschaft und Politik zur Zukunft Europas intensiviert wird, und begrüßt grundsätzlich die Bereitschaft der Großen Koalition.
Die EBD gibt allerdings zu bedenken, dass der ambitionierte Plan, bis zum Europäischen Rat im Dezember erste Ergebnisse präsentieren zu können, an mangelnder Vorbereitung und Umsetzung scheitern könnte. Dies hätte schon bei Abfassung des Koalitionsvertrags klar sein können.
Der EBD-Vorstand entwickelte deshalb gemeinsam mit seinen Spitzenverbänden und Mitgliedern, allen voran Bundesverband Deutsche Industrie (BDI), Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement gGmbH (BBE), Citizens of Europe e.V., Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR), Deutscher Bundesjugendring (DBJR), dbb beamtenbund und tarifunion (dbb), Internationaler Bund, Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V (IB), Junge Europäische Föderalisten e.V. (JEF), Verbraucherzentrale Bundesverband e,V. (vzbv) und weiteren einen Kriterienkatalog, der sich für offene, partizipative und repräsentative Bürgerdialoge ausspricht.
Lesen Sie hier den EBD-Kriterienkatalog im Wortlaut
- Bevölkerung repräsentativ befragen und in die europäische Zukunftsdebatte einbinden!
- Keine Themensetzung von oben herab!
- Regionale Ausgewogenheit sicherstellen!
- Der Dialog muss im Mittelpunkt stehen!
- Engagierte Vereine und Organisationen sowie Parteien gehören ebenso zur Demokratie wie einzelne Bürgerinnen und Bürger!
- Hohe Transparenz fördert Glaubwürdigkeit!
- Klare Zielsetzung und Rückkopplung der Ergebnisse des Dialogs!
- Internationale Ausrichtung!
- Durchführung durch demokratieerfahrene Organisationen!
EBD-Präsident, Spitzenverbände und Mitglieder zu den Bürgerdialogen:
Die EBD hat darüber hinaus Vertreterinnen und Vertreter der Spitzenverbände um ein Meinungsbild zu den nun beginnenden Bürgerdialogen gebeten. Lesen Sie nachfolgend die Statements:
Statement von Dr. Rainer Wend, Präsident der Europäischen Bewegung Deutschland e.V.:
„Wenn, dann richtig! Die notwendige öffentliche Debatte zur Zukunft Europas darf nicht durch halbherzige und PR-orientierte Bürgerdialoge für Europafrust sorgen. Die EBD steht für eine breite gesellschaftliche Debatte zur Europapolitik. Europa ist und bleibt Staatsziel der Bundesrepublik. Aber Demokratie lebt auf allen Ebenen von Kritik mit offenem Visier und möglichst vielen konstruktiven Ideen.“
Statement von Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands e.V. (vzbv):
„Der Dialog mit den Bürgern muss fest in politischen Prozessen und Verfahren verankert sein. Ein echter Dialog darf kein Feigenblatt sein, sondern muss als Teil unserer politischen Kultur und der Meinungsbildung verstanden sein. Dafür braucht es eine starke Zivilgesellschaft und natürlich eine dialoginteressierte Politik. Bürgerdialoge der Bundesregierung und der EU-Kommission sollten auf Augenhöhe stattfinden. Politik muss die vielfältigen Perspektiven von Menschen vor Ort in ganz Deutschland einbeziehen. Das stärkt das Vertrauen in Politik und ihrer Entscheidungen und sicher auch das Engagement der Bürger.“
Statement von Prof. Dr. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings e.V. (DNR):
„Gerade im Umwelt-. Natur- und Tierschutz erleben wir, wie sich immer mehr Menschen politisch interessieren und engagieren. Wir erleben jedoch auch, dass diese nicht immer in bestehenden demokratischen Institutionen ein Forum finden. Deshalb sind ernst gemeinte Bürgerdialoge eine sehr gute Möglichkeit des Austauschs zwischen den Menschen in Europa und Politikerinnen und Politikern. Besonders vor dem Hintergrund aktueller antieuropäischer Rhetorik rechtspopulistischer Parteien, ist es wichtig, eine transparente und direkte Kommunikation zwischen Bürgern und Politik zu stärken. Menschenrechte, Freiheit, Demokratie und Solidarität sind nicht verhandelbar und müssen gegen nationalistische Tendenzen gestärkt werden. Der Dialog ist das zentrale Element, alle Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Gestaltung Europas mitwirken zu lassen und ihre Regierungen zum Handeln aufzufordern. Der Deutsche Naturschutzring unterstützt daher den Kriterienkatalog der Europäischen Bewegung Deutschland e.V. für einen nachhaltigen und integrativen Bürgerdialog.“
Statement von Tobias Köck, Vorsitzender des Deutschen Bundesjugendrings e.V. (DBJR) und EBD-Vorstandsmitglied:
„Gut, dass die Bundeskanzlerin persönlich mit jungen Bürgerinnen und Bürgern in den Dialog über Europa tritt. Wenn sie aufmerksam zuhört, die Ansichten junger Menschen ernst nimmt und daraus Politik macht, können die Bürgerdialoge wirken. Nur dann machen sie Sinn. Junge Menschen werden in Formaten wie Bürgerdialogen nach ihrer Meinung gefragt. Das allein reicht aber nicht. Die Kanzlerin muss junge Menschen Raum zum Mitgestalten öffnen!“
Statement von Gabriele Bischoff, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Präsidentin Arbeitnehmergruppe Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss und EBD-Vorstandsmitglied:
„Das geht nur mit offenen, kritischen Dialogen, in die sich alle, insbesondere auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie die Erwerbslosen, einbringen können. Zuhören, diskutieren, EU besser auf Kurs bringen. Für eine EU, die schützt und ermächtigt.“
Statement von Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender dbb beamtenbund und tarifunion (dbb):
„Offene, diskursive Formate wie Bürgerdialoge sind unabdingbar für politische Entscheidungsträger, um im direkten Gespräch zu erfahren, was die Bürgerinnen und Bürger sich wünschen und erwarten. Sie dürfen aber nicht nur Show sein. Die Bürgerinnen und Bürger müssen aus dem Dialog einen Mehrwert ziehen und in einem transparenten Prozess nachvollziehen können, warum bestimmte Forderungen umgesetzt werden und andere nicht.“
Statement von Frank Burgdörfer, Citizens of Europe e.V. und EBD-Vorstandsmitglied:
„Showveranstaltungen helfen nicht weiter. Das Vertrauen in die Europapolitik kann mit Dialogveranstaltungen nur gestärkt werden, wenn zustimmende wie kritische Einwände eine Bühne erhalten. Kampagnenartig durchgeführte austauschbare Massenveranstaltungen hinterlassen schnell den Eindruck, dass die Triebfeder eher der Wille zur Propaganda als ernsthaftes Interesse an den Ideen, Einwänden und Zweifeln der Bürgerinnen und Bürger ist.“
Statement von Christian Moos, Generalsekretär der Europa-Union Deutschland e.V. (EUD) und EBD-Vorstandsmitglied:
„Die Bundesregierung tut gut daran, die organisierte Zivilgesellschaft in den europapolitischen Zukunftsdiskurs einzubeziehen. Demokratisch, überparteilich und europäisch engagiert: Dialog mit nachhaltiger Wirkung braucht lokal verwurzelte Partner aus der aktiven Bürgerschaft.“
Statement Peter Backfisch, Referent für Europapolitik des Vorstandes, Internationaler Bund (IB):
„Der Internationale Bund begrüßt die Initiativen von Emmanuel Macron „Bürgerkonvente“ zur Zukunft Europas durchzuführen. Auch die Absicht des Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Dialog mit EU-Bürgern zu verstärken findet unsere Unterstützung. Die Bevölkerung in „Öffentlichen Dialogen“ aktiv zu befragen ist eine Stärkung von Demokratie und Teilhabe an einem gemeinsamen Europa.“
Statement von Manuel Gath, Bundesvorsitzender der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF):
„Die Bürgerinnen und Bürger müssen klar wissen, was sie erwartet und was mit ihren Ansichten und Meinungen weiter passiert. Es braucht Kriterien für alle Veranstaltungsformate, damit daraus keine reine PR-Nummer der Bundesregierung wird. Gerade zu Europa haben die Menschen in Deutschland eine Meinung, die sie artikulieren wollen.“
Hintergrund
Der französische Staatspräsident Macron macht es vor – die deutsche Bundesregierung zieht nach. Mit den von Macron initiierten „demokratischen Konventen“ wurde 2017 in mehreren Bürgerdialoge über die Zukunft Europas diskutiert. Auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker möchte den Dialog mit europäischen Bürgerinnen und Bürgern verstärken. Wenig verwunderlich, dass öffentliche Bürgerdialoge zur Zukunft der EU auch im neuen Koalitionsvertrag Anklang finden. Dort heißt es: „Wir wollen, dass sich Deutschland aktiv in die Debatte über die Zukunft der EU und eine Stärkung der europäischen Integration einbringt und wollen die Bürgerinnen und Bürger in bundesweiten öffentlichen Dialogen an der Reformdebatte in Europa beteiligen. Wir wollen dadurch Europa bürgernäher und transparenter machen und neues Vertrauen gewinnen.“
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