Pressemitteilung
EBD-Häppchen: Vor dem Ventotene-Gipfel
Mit den EBD-Häppchen präsentiert die EBD ab sofort vor Ereignissen von europapolitischer Tragweite Hintergründe, Zusammenhänge, Expertise aus dem Netzwerk der 250 Mitgliedsorganisationen auf dem Silbertablett. Greifen Sie zu!
EBD-Häppchen | Vor dem Ventotene-Gipfel
1 | Ah jetzt ja: Eine Insel! Für Renzi, Merkel und Hollande. Ventotene! Dorthin bringt der italienische „Ratspräsident“ die deutsche Kanzlerin und den französischen Staatspräsidenten nämlich am Montag. Und da muss die Frisur sitzen. Ventotene ist die Insel des Windes. Und in und um Europa herum herrschen Stürme. Der deutschen Öffentlichkeit und sogar der Diplomatie ist die Insel kaum bekannt, aber vielleicht kennt sie ja die Bundeskanzlerin. Ihre Urlaubsinsel Ischia ist ja gar nicht so weit entfernt. Aber klar, nach Ventotene hat sich bisher kaum ein deutscher Tourist verirrt, geschweige denn ein deutscher Europapolitiker.
2 | Ganz Deutschland ist Ventotene unbekannt? Ganz Deutschland? Nein. Eine kleine Schar auch deutscher Europa-Föderalisten, vor allem JEFfer/innen, fallen jedes Jahr in Ventotene ein, um am Grab eines Mannes die 1941 geschriebene Vision eines europäischen Bundesstaates zu diskutieren: Altiero Spinelli. Und was sagte der so? „Es gilt, einen Bundesstaat zu schaffen, der auf festen Füßen steht und anstelle nationaler Heere über eine europäische Streitmacht verfügt.“ Renzi steht als (Achtung, Parteifamilien sind oft irreführend!) Herz-Jesu-Christdemokrat fest zu dieser europapolitischen Tradition. Freilich vor allem Tradition. Aber eine gesunde Basis hilft vielleicht bei der Realpolitik. Und eine Europaarmee steht schließlich auch im GroKo-Koalitionsvertrag. Nach dem Brexit ist sie gar nicht mehr so illusorisch. England dürfte nicht mehr bremsen. Und wenn der General aus Frankreich käme …
3 | Ventotene war einst als Gefangeneninsel Mussolinis gefürchtet! Die war mal dramatischer als heute etwa Lampedusa, eine italienische Insel, die man schon eher kennt. Leider. Berlinalegewinner „Fuocoammare“ zeigt eindrucksvoll, was Alltag an Italiens Küsten ist. Da wird von Kommunen, Küstenwache und den gesellschaftlichen Kräften Beachtliches geleistet. Nicht alles funktioniert bei der Flüchtlingsaufnahme, LaGeSo lässt auch in Italien grüßen. Aber deutsche Regierungskreise sagen mittlerweile, dass Berlin Rom in der Flüchtlingskrise sträflich vernachlässigt hat – die Billigversicherung Dublin lag halt näher als der Tod vor Lampedusa. „In Europa ist Deutschland plötzlich isoliert“ schrieb „Die Welt“ noch im Januar. Aber eigentlich hat es sich damals in der Flüchtlingsfrage mit Italien vereint. Doch das Land spielte in der deutschen Flüchtlingsdebatte kaum eine größere Rolle als Ventotene in der Europapolitik. Paris, London, dann kommt Brüssel. Kein Platz für Rom und all die anderen.
4 | Renzi braucht Merkel und irgendwie auch Hollande. Sein Problem? Die Wirtschaftsdaten wollen einfach nicht beeindrucken. Italien hat nicht erst seit Berlusconi einen schlechten Ruf. Hinzu kommt: deutsche Spitzenbeamte im Kanzleramt kennen die Grandes Ecoles in Frankreich einfach besser als die römischen Wirren. Und so kann sich kaum jemand vorstellen, wie revolutionär die Staatsreformen Renzis sind. Renzis Schicksal ist sein Verfassungsreferendum Ende November. Bis dahin brauchte es klare Ansagen aus dem Norden, dass Europa wieder auf Wachstum setzt. Frischer Wind aus Ventotene könnte Renzi Zeit verschaffen. Vor allem die Bundeskanzlerin muss den gebeutelten Italienern klar machen, dass es Deutschland ernst meint mit der gemeinsamen wirtschaftlichen und sozialen Zukunft. Das Problem: Sie setzt schon wieder auf die Unionsmethode, die kurzgefasst sagt: Sherpas aus den Staatskanzleien in großen Hauptstädten geben den Kurs vor, und nicht die gewählten Gemeinschaftsinstitutionen.
5 | Wobei wir wieder bei Spinelli wären. Der bastelte als Europapparlamentarier und späterer Kommissar einen Verfassungsentwurf für eine repräsentative Europa-Demokratie und war strikter Anhänger einer starken, regierenden Kommission. Aber wollen das die Drei auf Ventotene? Wenn es passt, wird die EU-Kommission gerne auch von ihnen gebasht. Und den Etatisten im Pariser Elysée-Palast ist das mit der parlamentarischen Demokratie sowieso suspekt. Es braucht ein „Bekenntnis zur repräsentativen europäischen Demokratie. Für ein starkes Parlament und eine politisch verantwortliche und handlungsfähige EU-Kommission“, fordert auch EBD-Präsident Dr. Rainer Wend im Vorfeld des Gipfels. Und mahnt, auch die anderen 24 Mitgliedstaaten nicht zu vergessen. Der nächste Gipfel in Bratislava wird zeigen, ob die drei für die EU-27 Impulse aus Ventotene mitbringen, oder ob das große EU-Kino doch eher „Vom Winde verweht“ zeigt.
Weiterführende Links
EBD-Präsident Dr. Rainer Wend zum Ventotene-Gipfel: „Wir brauchen Rückenwind für Italien und Europa“
Politische Forderungen der EBD 2016/17
Nachrichten zur Europapolitik Italiens auf der EBD-Website
Ihr Ansprechpartner für die italienische Europapolitik: Bernd Hüttemann
Pressekontakt: Karoline Münz | presse [at] netzwerk-ebd.de