Pressemitteilung
EBD Pressemitteilung | EBD-Präsidentin Dr. Linn Selle: Rede des Kanzlers bleibt hinter Ampelambitionen zurück
- Die EU muss gestärkt werden, auch für neue Mitgliedstaaten, fordert EBD-Präsidentin Dr. Linn Selle, anlässlich der Rede des Bundeskanzlers an der Karls-Universität in Prag.
- Die EBD stimmt dem Bundeskanzler zu, dass die Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen im EU-Ministerrat für eine handlungsfähige EU dringend notwendig ist. Das allein reicht aber nicht aus. Die Rede bleibt hinter den Ambitionen des Koalitionsvertrages zurück.
- Die EBD-Präsidentin fordert eine nach innen und außen abgestimmte Strategie der Bundesregierung, um für ihre eigenen Ziele im Koalitionsvertrag proaktiv und mutig in der EU zu werben. Ziel muss weiter ein europäischer Reformkonvent sein, um eine breite Zustimmung zu erreichen.
Berlin, 29. August 2022. Anlässlich der Rede des Bundeskanzlers Olaf Scholz an der Karls-Universität in Prag fordert EBD-Präsidentin Dr. Linn Selle zeitnahe Reformen für eine handlungsfähige EU, auch im Sinne neuer Mitgliedsländer.
„Der Bundeskanzler hat Recht, Reformen der EU-Institutionen einzufordern, doch bleibt seine Rede hinter den Ambitionen des eigenen Koalitionsvertrages zurück. Kein Wort zum Koalitionsversprechen eines Europäischen Konvents, keine entscheidende Neuerung zur Lösung der Krise der Rechtsstaatlichkeit in Europa und keine konkreten Vorschläge zur Stärkung des Europaparlaments. Dagegen geht Scholz auf Frankreich zu und stützt Macrons Projekt der Europäischen Politischen Gemeinschaft.
Ein demokratisches und rechtsstaatliches Europa kann nur mit modernen europäischen Institutionen gelingen – hierfür braucht es einen europäischen Konvent, um grundlegende Reformen in der europäischen Zusammenarbeit anzugehen. Darüber hinaus müssen die Bundesregierung und ihre EU-Partnerstaaten alle vertraglichen Möglichkeiten der Verstärkten Zusammenarbeit nutzen. Gut ist immerhin, dass die Bundesregierung die Entscheidungsprozesse der EU reformieren möchte. Sie müssen insbesondere den neuen außenpolitischen Realitäten angepasst werden, in denen die EU nur eine ernst zu nehmende Akteurin auf der Weltbühne ist, wenn sie schnell auf Umbrüche und Krisen reagieren kann.
Eng verknüpft mit der Frage zur Neuordnung der europäischen Integrationslandschaft ist die Notwendigkeit eines aktiven und strategischen deutschen Gestaltungsanspruchs in Europa gemeinschaftlich mit den Partnerländern und Institutionen. Die Bundesregierung sollte daher ihr Ziel aus dem Koalitionsvertrag fest im Blick behalten und ihr politisches Gewicht als Vertreterin des größten Mitgliedstaates einbringen. Eine politische Verschleppung von Beitrittsgesprächen, darf sich nicht länger fortsetzen. Allein die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien sollte den Fortschritt im Beitrittsprozess vorgeben, eine Ausrede für die weitere Verzögerung der Beitrittsgespräche dürfen die notwendigen EU-Reformen nicht sein.
Die Einführung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen im Rat für Auswärtige Angelegenheiten wäre ein Etappenziel, das über die Nutzung der „Passerelle-Klausel“ erreichbar ist. Mehrheitsentscheidungen und die Anwendung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens sollten in der EU die Regel sein, was der von der Ampel-Koalition propagierten „Gemeinschaftsmethode“ entspräche. Einstimmige Entscheidungen im Rat müssen gut begründete Ausnahmen sein. Wenn das Vetorecht für Mitgliedstaaten abgeschafft wird, muss das bedeuten, dass das Europäische Parlament eine co-legislative Rolle spielen muss. Es müssen rechtlich mögliche Mehrheitsentscheidungen de facto auch umgesetzt werden.
Pressekontakt:
Elisabeth Wisniewski, Referentin Europakommunikation und Organisation
E-Mail: elisabeth.wisniewski@netzwerk-ebd.de
Weitere Informationen:
- Mehr zur EBD-Politik: Außen- und Sicherheitspolitik
- Das Medienprofil der EBD-Präsidentin Dr. Linn Selle