BDI-Präsident Hans-Peter Keitel warnt vor neuen Belastungen für die Wirtschaft
Deutschland sei zurzeit zwar die ökonomische Lokomotive in Europa, dürfe sich aber auf diesen Lorbeeren nicht ausruhen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält an seiner Konjunkturprognose von rund einem Prozent Wachstum in diesem Jahr fest. „Zwar wird die Entwicklung im zweiten Halbjahr etwas schwächer als im ersten Halbjahr sein, aber insgesamt ist die Lage relativ stabil“, sagte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel auf dem BDI-Tag der Deutschen Industrie am Dienstag in Berlin.
Im Euroraum gebe es rezessive Tendenzen, die sich zwangsläufig auch bremsend auf die deutsche Exportwirtschaft auswirkten. Doch auch im Euroraum seien erste Anzeichen für eine Besserung erkennbar. „Es gibt, wenn auch zaghaft, erste Erfolge in den Krisenländern“, erklärte Keitel. Zudem habe sich die Lage an den Finanzmärkten etwas beruhigt – durch die Ankündigungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum europäischen Rettungsschirm ESM.
„Jetzt sollten wir in Europa erst einmal den ESM einsetzen und die Geduld aufbringen, ihn wirken zu lassen“, unterstrich der BDI-Präsident. Die EZB habe eine Einschaltung des ESM selbst zur Voraussetzung für eigenes Handeln gemacht. „Daran darf nicht gerüttelt werden! Die deutschen Parlamentarier haben bis zum Bundesverfassungsgericht um ihre Mitwirkung bei den europäischen Rettungsmaßnahmen gekämpft. Sie sollten dieses Recht jetzt konsequent nutzen, auch wenn der scheinbar bequemere Weg über die EZB führt.“
Deutschland allein könne Europa nicht retten. Die entscheidende Hilfe müsse aus den betroffenen Ländern selbst kommen. „Sie müssen ihre Haushalte in Ordnung und ihre Wirtschaft auf Wachstumskurs bringen – wenn nötig, mit unserer Hilfe“, stellte Keitel fest. Die Länder müssten sich von den europäischen Partnern im Rahmen der Regeln aber auch helfen lassen. „Sie dürfen ihre eigenen Erfolge nicht kleinreden, denn vieles kommt ja tatsächlich in Bewegung. Diese Trendwende müssen sie den Finanzmärkten überzeugend und professionell vermitteln, anstatt täglich nach neuer Hilfe zu rufen“, hob der Industrie-Präsident hervor.
Der Euro-Raum werde nur dann eine stabile Zukunft haben, wenn sich die nationalen Volkswirtschaften aufeinander zu bewegten und sich gegenüber der weltweiten Konkurrenz gleichzeitig als wettbewerbsfähig erwiesen. Keitel betonte: „Keine Rettungsmaßnahme, kein Markteingriff, kein politisches Kunststück kann uns diesen anspruchsvollen Weg ersparen.“
Zur Disziplin im Euroraum zähle auch eine unabhängige Bankenaufsicht mit klaren Regeln und umfassenden Kontroll- und Durchgriffsrechten, die sich an den Standrads des Weltmarkts orientieren. Zur Vermeidung bürokratischer Monsterbehörden sind nach Keitels Ansicht „pragmatische und schrittweise Lösungen denkbar, solange sie nicht dazu dienen, den strikt abzulehnenden Haftungsverbund oder die Bankenlizenz für den ESM schleichend durch die Hintertür einzuführen“.
Deutschland sei zurzeit die ökonomische Lokomotive in Europa. Jedoch dürften wir uns auf diesen Lorbeeren nicht ausruhen. Keitel warnte davor, die Wirtschaft neu zu belasten: „Energiepreise, Emissionshandel, Effizienzrichtlinie, Basel III, Frauenquote, Mindestlohn, Luftverkehrsabgabe oder Transaktionssteuer, selbst die Vermögensteuer kommt wieder aus der Mottenkiste. Und die jüngsten Vorschläge zur Rente werden ihren Kostentreibsatz in einigen Jahren zuverlässig zünden.“