BDI: Ungarische EU-Ratspräsidentschaft startet turbulent
Am Neujahrstag hat die ungarische Regierung die Präsidentschaft des EU-Ministerrates übernommen. Die Prioritäten der ungarischen Präsidentschaft liegen zwischen dem kurzfristigen Ziel der Stabilisierung der Euro-Zone und den langfristigen Zielen von mehr Wachstum und Beschäftigung im Rahmen der »Europa 2020«-Strategie. Die ersten Tage der ungarischen Präsidentschaft waren von der Diskussion über das neue ungarische Mediengesetz sowie Sondersteuern für bestimmte Branchen überschattet.
Die Lösung der aktuellen Schuldenkrise in der EU wird eine hervorgehobene Rolle in den kommenden Monaten spielen – und dabei möglicherweise andere Themen verdrängen. Die politisch bereits vereinbarten Maßnahmen wie der schärfere Stabilitäts- und Wachstumspakt und die engere wirtschaftspolitische Koordinierung müssen noch im EU-Gesetzgebungsverfahren beschlossen werden. Außerdem könnten aufgrund der eventuellen Ausweitung der Krise weitere Notmaßnahmen erforderlich werden, etwa eine Ausweitung des Euro-Rettungs-
schirms.
Die ungarische Regierung hat vier inhaltliche Schwerpunkte für ihre Präsidentschaft benannt:
– Wachstum und Beschäftigung stärken zur Bewahrung des europäischen Sozialmodells,
– ein stärkeres Europa,
– eine bürgernahe Europäische Union und
– die EU-Erweiterung sowie Nachbarschaftspolitik.
Ein inhaltlicher Schwerpunkt der Präsidentschaft wird die Energiepolitik sein: Bei einem Schwerpunktgipfel am 4. Februar 2011 wollen die EU-Staats- und Regierungschefs über die Ausgestaltung der EU-Energiepolitik bis 2020 sprechen. Die Strategie »Energie 2020« von EU-Kommissar Günther Oettinger hatte die Verfehlung des 20-Prozent-Einsparziels prognostiziert und weitere Maßnahmen ankündigt.
Weitere Themen werden Infrastruktur, Außenbeziehungen und Technologien sein. Spezielle Interessen der ungarischen Ratspräsidentschaft sind darüber hinaus der Binnenmarkt und eine sichere Energieversorgung. Deshalb wird sie bemüht sein, zügig im Rat Verhandlungen über ein Finanzierungsinstrument für Energieprojekte, wie etwa Infrastrukturmaßnahmen, anzustoßen.
Unter ungarischer Präsidentschaft wird voraussichtlich erstmals das Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit (Art. 20 EUV) zur Anwendung kommen. Nach Scheitern der Verhandlungen über ein gemeinsames EU-Patent haben mehrere Mitgliedstaaten, darunter Deutschland und Frankreich, ein Verfahren der Verstärkten Zusammenarbeit zu diesem Thema beantragt. Inzwischen haben sich mehr als die erforderlichen neun Mitgliedstaaten dem Antrag angeschlossen. Die Kommission wird daher nun einen formellen Vorschlag für die Einleitung der Verstärkten Zusammenarbeit vorlegen.