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EU-Erweiterung, Außen- & Sicherheitspolitik, Europäische Wertegemeinschaft, Institutionen & Zukunftsdebatte

Beitritte der Ukraine und Moldau mit Westbalkan zusammendenken | EBD De-Briefing Europäischer Rat

Im Zeichen der EU-Erweiterung stand der Europäische Rat wie auch der EU-Westbalkan-Gipfel am 23.-24. Juni 2022 in Brüssel. Sibylle Sorg, Leiterin der Europaabteilung im Auswärtigen Amt, und Dr. Kirsten Scholl, Leiterin der Abteilung für Europapolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, berichteten am 27. Juni 2022 im digitalen EBD De-Briefing EUCO über die Entscheidungen und Fortschritte der beiden Gipfeltreffen. Unter der Moderation von EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann hielt Michael Gahler, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vizepräsident der EBD, den Erstkommentar. 

Das sichtbarste Ergebnis des Gipfeltreffens, die Verleihung des Kandidatenstatus für die Ukraine und Moldau, wurde einvernehmlich als positive Errungenschaft gelobt. Deutlich wurde in dem De-Briefing, dass beide Länder nun nicht im Schnellverfahren, sondern anhand der Kopenhagener Kriterien an die EU herangeführt werden. Ebenso wurde betont, dass künftig darauf geachtet werden soll, inwieweit die EU selbst und ihre Strukturen für die Aufnahme neuer Staaten bereit sei. Georgien, das ebenfalls im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine einen EU-Beitrittsantrag gestellt hat, wurde erst einmal nur die Bereitschaft signalisiert. Das Land soll erst den Kandidatenstatus erhalten, sobald es Fortschritte zu den in der Stellungnahme der Kommission genannten Prioritäten erzielt hat. 

Alle Panellisten waren sich einig, dass die Entscheidung für Beitrittsgespräche mit der Ukraine und Moldau mit Fortschritten in der EU-Erweiterung auf dem Westbalkan verknüpft werden muss. Daher blieb auch Enttäuschung über die fehlenden Ergebnisse zum EU-Westbalkan-Gipfel, gerade und insbesondere in Hinblick auf die Eröffnung der EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien. Auch die Entscheidung des bulgarischen Parlaments, die im Nachgang des Gipfels ihr Veto für die Verhandlungen mit Nordmazedonien aufgehoben hatten, wurde nicht als großer Durchbruch gesehen. Schließlich sei dies an Bedingungen geknüpft, die nicht auf dem ursprünglichen Verhandlungsvorschlag der französischen EU-Ratspräsidentschaft basiere. Ebenso wurde betont, dass weitere Schritte hin zum Kandidatenstatus für Bosnien-Herzegowina und Kosovo notwendig seien. Trotz der fehlenden Fortschritte im Beitrittsprozess mit den Westbalkanstaaten blieb für die Panellisten der positive Eindruck, dass das erste Mal seit langem eine intensive Debatte über den Status und die Zukunft der westlichen Balkanstaaten auf Ebene der Staats- und Regierungsspitzen geführt wurde.  

Zum Krieg in der Ukraine wurde aus dem De-Briefing deutlich, dass der Europäische Rat weiter fest an der Seite der Ukraine stehe und dass die EU entschiedene Unterstützung für die wirtschaftliche, militärische, soziale und finanzielle Widerstandsfähigkeit der Ukraine leisten werde. Ebenso wurde der russischen Desinformation, dass die Sanktionen der EU und ihrer westlichen Verbündeten der Auslöser für die Ernährungskrise sei, entschieden entgegengetreten. Dennoch wurden im De-Briefing auch Stimmen deutlich, dass die Bundesregierung in der Vergangenheit zu zögerlich in der militärischen Unterstützung gewesen sei. 

Ebenso im Fokus des De-Briefings stand die Debatte „Größeres Europa“ zum Vorschlag der französischen Ratspräsidentschaft zu einer Europäischen Politischen Gemeinschaft, die Emmanuel Macron bereits auf der Abschlussveranstaltung der EU-Zukunftskonferenz am 09. Mai 2022 ansprach. Wie aus dem De-Briefing hervorging,  herrschte Einigkeit darüber, dass eine Plattform und ein Konzept wichtig seien,  interessierte demokratische EU-Drittstaaten stärker einzubinden. Unter der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft sei ein informeller Gipfel zur weiteren Debatte geplant. 

Zur Konferenz zur Zukunft Europas gab es keine vertiefte Aussprache. Tschechien möchte trotz erster Zurückhaltung nun doch einen strukturierten Follow-Up-Prozess zur Zukunftskonferenz für die Agenda des Rates setzen. Jedoch wurde auch betont, dass die Staats- und Regierungsspitzen nicht auf den Antrag des Europäischen Parlaments zur Initiierung eines Europäischen Konvents eingegangen seien. Wichtig sei, dass die weiteren Erweiterungsschritte mit einer Vertiefung und damit einer Reform der EU auf Basis der 49 Vorschläge der Zukunftskonferenz einhergehen sollten. 

Die rund 60 Teilnehmenden des De-Briefings diskutierten ebenfalls die weiteren Themen aus den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates wie die Inflation, das Europäische Semester, Energiesicherheit, die Euro-Einführung in Kroatien und die Möglichkeit der Einführung einer befristeten Einfuhrpreisobergrenze für russisches Gas mit internationalen Partnern. Ebenso wurde auch die Bekräftigung des Europäischen Rates, dass die territoriale Integrität der EU-Mitgliedstaaten vonseiten der Türkei gewahrt werden müsse, wie auch die Forderung an die belarussische Regierung, Repression zu beenden und politische Gefangene freizulassen, hervorgehoben. 

Zum Schluss wurde über den Euro-Gipfel berichtet, der im Anschluss des Europäischen Rates im inklusiven Format aller 27 Mitgliedstaaten stattfand. Im Fokus dieses Treffens stand die Vollendung der Europäischen Bankenunion und die Vertiefung der Kapitalmarktunion.