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Bertelsman Stiftung: Bruessels Think Tank Dialogue 2013: EU-Zukunftsdebatte braucht klare Zielvorgaben

Die absehbare Änderung der Europäischen Verträge eröffnet Think Tanks die Möglichkeit, die Zukunft der Europäischen Union aktiv mitzugestalten. „Der nächste Europäische Konvent wird den Think Tanks in zwei oder drei Jahren die Gelegenheit geben, an der Debatte zur Zukunft Europa teilzunehmen“, betonte der Vorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Aart De Geus, bei der Eröffnung des Brussels Think Tank Dialogue 2013.

Das Büro Brüssel der Bertelsmann Stiftung hatte die hochrangig besetzte Veranstaltung, an der unter anderem EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der Europäische Ratspräsident Herman Van Rompuy teilnahmen, gemeinsam mit BRUEGEL, dem Centre For European Policy Studies (CEPS), Confrontations Europe, dem Egmont Institute, dem European Policy Centre (EPC), Friends of Europe – Les amis de l’Europe, dem Institut français des relations internationales (Ifri), Madariaga – College of Europe Foundation und der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) organisiert.

Die Veranstaltung hatte sich De Geus zufolge drei konkrete Ziele gesetzt: Eine kritische  Bestandsaufnahme der Europäischen Union, eine fundierte Analyse und konkrete Handlungsempfehlungen an die politischen Akteure. Sowohl EU-Kommissionspräsident Barroso als auch Ratspräsident Van Rompuy betonten in ihren Redebeiträgen, dass eine stärkere Integration nur "Schritt für Schritt" mit einem klaren Ziel vor Augen vorangetrieben werden könne. Bei der Veranstaltung wurde allerdings auch deutlich, dass über dieses Ziel in Europa noch lange keine Einigkeit herrscht. Schon beim aktuellen Krisenmanagement zeichneten sich deutliche Unterschiede ab. Während Van Rompuy den aktuellen Konsolidierungskurs als alternativlos bezeichnete, rückte Barroso von der reinen Austerität ab. „Diese Politik ist grundsätzlich richtig, hat aber ihre Grenzen erreicht", sagte Barroso. Sie müsse um Wachstumspolitik erweitert werden.

Barroso sprach sich für eine europäische Föderation aus, die kein Super-Staat, sondern ein föderaler Zusammenschluss sein soll. "Ich glaube an ein Europa, in dem Bürger stolz auf ihre Nation und stolz auf Europa sind." Er betonte auch, dass eine verstärkte Integration nicht gegen den Willen der Mitgliedstaaten stattfinden könne. Barroso wies darauf hin, dass die Mitgliedsstaaten mit den verstärkten Vorgaben in der Wirtschaftspolitik (Six-Pack, Two-Pack) bereits Befugnisse nach Brüssel abgegeben hätten. Die Europawahlen 2014 sieht er als Chance, die Bürger für Europa zu interessieren. "Statt 27 und bald 28 nationalen Wahlkämpfen, wie wir sie normalerweise bei Europawahlen sehen, sollten wir eine wahrhaft europäische Debatte führen."

Ratspräsident Van Rompuy gestand ein, dass die Bankenunion und die geplante Fortschreibung der Wirtschafts- und Währungsunion Fragen nach der Verantwortlichkeit neu stellten, etwa welchem Parlament eine europäische Bankenaufsicht verantwortlich sei, die gemeinsam mit nationalen Aufsehern agiere. Van Rompuy unterstrich die Bedeutung des richtigen Timings beim Umbau der EU und das Geschick, Veränderungen in der richtigen Reihenfolge anzugehen. Politik sei, und ganz besonders angesichts einer Wirtschaftskrise, die länger als erwartet dauere, eine große Herausforderung: "Die Kunst des Politikers liegt darin Recht zu haben – und das im richtigen Moment."

Drei Expertenrunden debattierten über das Job-Potential einer Europäischen Industriepolitik, die Herausforderungen für einen gemeinsamen Energiemarkt in Europa sowie die Rolle der EU als globaler Akteur. Der Mangel an industriellen Fachkräften mit den geforderten Qualifikationen (mismatch) wurde einhellig als zentrales Problem in Europa identifiziert. Gleichzeitig zeigte sich, welch große Hoffnungen das geplante TTIP-Freihandelsabkommen mit den USA gerade für die Schaffung neuer Jobs im industriellen Sektor weckt. In der Energiepolitik ist Europa noch immer stark fragmentiert und die Hürden für die Verwirklichung eines Binnenmarkts liegen nach wie vor sehr hoch. Unter den Fachleuten für Außenpolitik herrschte Übereinstimmung, dass Europa in den letzten Jahren nicht zuletzt durch seine zunehmende Neigung zur krisenbedingten Nabelschau weltweit an Gewicht verliert.