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Bertelsmann-Stiftung: Europa, die Türkei und die Arabellion nach den US-Wahlen

Auch wenn US Präsident Obama sich zuhause vordringlich um Arbeitsplätze und Staatsfinanzen kümmern muss“, sagt die amerikanische Nahostexpertin Michele Dunne, „so drängen ihn die Konflikte im Nahen Osten zu schnellem außenpolitischen Handeln“. Frau Dunne geht davon aus, dass die neue US-Administration auf Russland zugehen wird, um eine schnelle Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien zu erwirken, und dass Washington Teheran ein Angebot machen wird, den Streit um das iranische Atomprogramm doch noch diplomatisch zu lösen.

Über die Konflikte in Syrien und mit dem Iran hinaus, drängen die Herausforderungen der arabischen Aufstände, sich intensiver für Demokratie und Beschäftigung in den Transformationsstaaten einzusetzen. So die einhellige Meinung von jungen Aktivisten der Zivilgesellschaft aus Tunesien, Libyen, Ägypten und Syrien, die in Pendeldiskussion der Bertelsmann Stiftung in Berlin, Brüssel, Paris und Warschau gemeinsam mit Experten aus Amerika, Europa und der Türkei die Zukunft der Europäischen südlichen Nachbarschaft in öffentlichen Hearings debattierten.

„Die Wirtschafts-Lokomotive Türkei kann für die arabischen Umbruchländer in gewisser Weise als Modell dienen, weil die türkische Gesellschaft zeigt, dass Islam mit Demokratie und Marktwirtschaft gut korrespondieren kann“, so die Leiterin des Europaforschungsinstituts in Ankara Frau Nilgün Eralp. Und Marc Pierini, ehemaliger Leiter der Vertretungen der EU in Ankara, Damaskus, Tunis und Rabat, ergänzt, dass sich viele europäische Unterstützungsprojekte in Arabien mit türkischem Potenzial kombinieren lassen. Als Beispiel nannte er, dass europäische und türkische Handelskammern in Nordafrika die praktische Berufs Fortbildung unterstützen könnten, damit der Jugendarbeitslosigkeit dort besser entgegnet werden kann.

Die Vertreter der Zivilgesellschaft aus Nordafrika appellierten an den Westen, ihre Finanzunterstützung an Projekten zur Förderung von Pluralismus, Zivilgesellschaft, Medienfreiheit und Rechtssicherheit auszurichten. Beifall fand die polnische Initiative in Tunesien, dem Land, wo die Arabellion startete, ein Haus der Demokratie zu errichten.

Aus der Debatte der Panelisten wurde auch deutlich, dass in den freien Wahlen, die säkular eingestellte Jugendliche erkämpft haben, islamistische Parteien erstmals als Sieger hervorgehen. Sie werden sich daran messen lassen müssen, ob sie in der Lage sind, Arbeitsplätze zu schaffen, und ob sie in der Lage sind, gemeinsam mit den säkularen Kräften einen parteiübergreifend Konsens herzustellen, wie die Verfassung auszusehen habe. Zurzeit erleben wir einen Identitätskonflikt in den arabischen Transformationsstaaten um die Frage, wie viel Islam in Gesellschaft und Politik festgeschrieben werden sollte. Dieser Konflikt wird am deutlichsten in den Verfassungsdebatten um die Stellung der Frau in der Gesellschaft.

Die Expertengruppe hat ihr Wissen in einem Handout zusammengefasst, das als PDF "Europe, Turkey and the Arabellion after the US elections" herunter geladen werden kann. Dazu bietet die Bertelsmann Stiftung ihr Wissen zum Thema „Zusammenarbeitspotenzial Europa Türkei Arabellion“ in der Ausgabe „Europe in Dialogue“ zum Herunterladen an.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, mit dem die Expertenrunde in Brüssel eine öffentliche Veranstaltung durchführte, resümierte: „auch wenn wir in Europa viel Kraft brauchen, um unsere Finanzkrise zu überwinden, so müssen wir uns den Herausforderungen im Mittelmeer stellen und dort intensiver für Frieden Demokratie und Beschäftigung eintreten.“