Bertelsmann Stiftung: Mahner, Retter, Profiteur: Chinas Rolle in der Eurokrise
Welche Rolle spielt China in der Eurokrise? Befreit sich Europa mit chinesischer Hilfe aus dem Schuldensumpf? Oder profitiert China von der aktuellen Schwäche Europas und baut seine Wettbewerbsstärke weiter aus? Helmut Hauschild, Experte für Asienpolitik der Stiftung gibt Einblicke.
Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion der Bertelsmann Stiftung. Mit diskutierten Alexander Graf Lambsdorff, Vorsitzender der FDP im Europäischen Parlament, Olin Liu, Leiterin der Research-Abteilung bei Chinas führender Investmentbank CICC und Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, am 3. April in Düsseldorf. Weit über hundert Gäste folgten der Diskussion.
Unter dem Eindruck der Schuldenkrise richten Europas Regierungen und Unternehmen hoffnungsvolle Blicke nach Fernost. China soll mit seinen gewaltigen Devisenreserven europäische Staatsanleihen kaufen und mit hohen Wachstumsraten die Weltwirtschaft am Laufen halten. Doch Chinas Führung dämpft die Erwartungen. Europa müsse erst seine Hausaufgaben machen, forderte kürzlich Premierminister Wen Jiabao bei einem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in China.
Die mahnenden Worte aus Fernost sind neu. Noch vor wenigen Jahren gefiel sich Europa in der Rolle des Ratgebers vieler Schwellenländer. Seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise hat sich das Verhältnis umgekehrt. China knüpft seine Beteiligung an Maßnahmen zur Bewältigung der Schuldenkrise, etwa die Ergänzung des Europäischen Rettungsschirms durch Mittel des Internationalen Währungsfonds (IWF), an Bedingungen. Strukturelle und institutionelle Reformen sowie mehr Mitsprache im IWF seien aus Chinas Sicht notwendige Voraussetzungen für ein verstärktes finanzielles Engagement, betonte Liu. „Europas Politik der kleinen Schritte reicht nicht aus, um die Eurokrise effektiv zu bekämpfen und die Märkte zu beruhigen“, warnte die Investmentbankerin.
Für Berenberg-Chefvolkswirt Schmieding sind strikter Schuldenabbau, eine verstärkte europäische Integration und weitreichende Arbeitsmarktreformen in den südeuropäischen Krisenländern entscheidend für eine erfolgreiche Bewältigung der Krise. „Europa kann sich langfristig nur selbst helfen“, diagnostizierte Schmieding. Spanien und Italien hätten wichtige Reformen bereits angepackt. Sorgen mache ihm vor allem Frankreich, sagte Schmieding. In Anlehnung an die Reformen der Regierung Gerhard Schröders in Deutschland schlug er eine Agenda 2010 für Europa vor.
Die drei Experten auf dem Podium waren sich einig, dass die kürzlich beschlossene Aufstockung des Europäischen Rettungsschirms auf 800 Mrd. Euro ein Schritt in die richtige Richtung sei, weil sie die Lage zumindest kurzfristig beruhige. Ob das Finanzvolumen aber dauerhaft ausreiche, sei fraglich, warnte Alexander Graf Lambsdorff. „Die Krise birgt auch eine Chance“, glaubt der FDP-Europapolitiker. Denn sie treibe die notwendige Fiskalunion und damit die europäische Integration voran.