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COVID-19 Politik, EU-Erweiterung, Außen- & Sicherheitspolitik

#BTW2021: Luft nach oben für Europapolitik

Die Bundestagswahl (kurz: BTW2021) rückt stetig näher und doch fällt ein Thema im Wahlkampf bislang weitgehend unter den Tisch: Wie sieht es mit der Zukunft der deutschen Europapolitik aus? Diese Frage wurde von dem Panel der Europäischen Akademie Nordrhein-Westfalen e.V. in einer Onlineveranstaltung diskutiert. Am 26. August 2021 galt es, die europapolitischen Programme der Parteien in den Blick zu nehmen. Joris Duffner, Vorsitzender der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) NRW und Leiter des Europe-Direct-Büros in Dortmund, Helga Schmidt, Korrespondentin im ARD-Hörfunkstudio Brüssel und Elisabeth Wisniewski, Referentin für Europa-Kommunikation und Organisation der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD), teilten diesbezüglich ihre Expertise. 

Die Bilanz zum Kabinett Merkel – da waren sich die Teilnehmenden einig – fällt europapolitisch gemischt aus. Vor allem während der Corona-Pandemie wurde sichtbar, wie anfällig Europa für Rückschritte ist. Die Grenzschließungen Anfang März 2020 und die fehlende Solidarität der Mitgliedstaaten verlangsamten eine europäische Lösung zur Eindämmung der Pandemie. Besonders betont wurde dabei das Kommunikationsdebakel zur europäischen Impfstoffbeschaffung, die besser war als ihr Ruf, sowie das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen, welches durch die Pipeline Nord Stream 2 belastet ist. Auch gegenüber Italien fehle es oftmals an Sensibilität, obwohl das Land als Gründungsmitglied der Europäischen Union und Industriestandort stark in die Gemeinschaft eingebunden ist. Zum Thema Rechtsstaatlichkeit sei wiederum die Zeit für den Dialog vorbei: Bei eindeutigen Vertragsverletzungen müsse die Europäische Kommission tätig werden. Die EBD fordert hier eine umgehende Anwendung des neuen Rechtsstaatsmechanismus und eine grundlegende Reform des Art.-7-EUV-Reforms. Ersteres erlaubt der Europäischen Kommission, im Zusammenspiel mit dem Rat EU-Fördergelder von Mitgliedstaaten bei Rechtsstaatsverletzungen zu kürzen. Jedoch wurde dieses neue Instrument bisher aufgrund politischer Absprachen im Europäischen Rat nicht angewandt, was die Podiumsteilnehmenden bemängelten. 

Die außenpolitische Debatte wurde vom Thema Afghanistan bestimmt. Angesichts der erschreckenden Entwicklung und der eindeutigen Abhängigkeit der EU von den USA, wurde Europas globale Rolle diskutiert. Neben dem Ist-Zustand der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ging es auch um die Zukunft derselbigen. Soll es einen gemeinsamen Verteidigungsetat geben, wer spricht für Europa im internationalen Kontext und unter welchen Bedingungen wäre eine Europäische Armee möglich? Hier gebe es viele nationale Unterschiede zu beachten, von historischen Bündnispartnern über nationale Traditionen der Verteidigungspolitik bis hin zur Außenkommunikation. Europa als Friedensmacht, die dennoch einen Flughafen in Kabul verteidigt, lässt sich das vereinen? Hier sind die Parteien in ihren Wahlprogrammen unterschiedlich aufgestellt. Einen Überblick über die jeweiligen gibt die EBD-Grafik: Bundesparteien-Programme zur BTW2021.

Zum Abschluss wurde ein Blick in die Glaskugel gewagt: Wer kann deutschen Einfluss in Europa am besten garantieren und an welchen Fragen scheiden sich die Geister? Denn neben der Außenpolitik hält auch die Klimafrage europapolitische Sprengkraft bereit. Was die EU von Deutschland als größte Volkswirtschaft erwartet, ist die etwas in Vergessenheit geratene Position als Vorkämpferin.

Der Auftaktveranstaltung der Europäischen Akademie (NRW) werden noch vier weitere folgen, die unterschiedliche Perspektiven auf „Deutschland und Europa“ werfen.