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BVMed | Diskussion der EU-Produkthaftungs-Richtlinie und KI-Haftung

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) hat sich im Anhörungsverfahren der EU-Kommission zu einer möglichen Revision der Produkthaftungs-Richtlinie (ProdHaftRL) und zur Haftung bei künstlicher Intelligenz (KI) dafür ausgesprochen, die im Produkthaftungsrecht bestehende und sorgfältig austarierte Risikoverteilung zwischen Produktnutzer und Hersteller beizubehalten. „Der bisherige Rechtsrahmen ist bewusst technologieoffen gestaltet. Er hat sich bewährt und funktioniert gut. Auch die Änderungen, die das digitale Zeitalter mit sich bringen, führen nicht zu einer Erforderlichkeit der Revision“, heißt es in der BVMed-Stellungnahme zur Konsultation der EU-Kommission „Zivilrechtliche Haftung – Anpassung der Haftungsvorschriften an das digitale Zeitalter und die künstliche Intelligenz“. Ein Eingriff in dieses System könnte zu zusätzlichen Kosten, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, führen, wodurch dringend benötigte Investitionen aufgeschoben werden könnten. Das BVMed-Positionspapier kann unter www.bvmed.de/positionen heruntergeladen werden.

Der BVMed hält eine Verschärfung der Haftungsregelungen generell für nicht geeignet, um Vertrauen in KI Systeme zu erhöhen. Vertrauen kann nur dann erzeugt werden, wenn Schäden durch KI-Systeme vermieden werden und Medizinprodukte sicher sind. „Dies wird durch klare und umsetzbare Vorgaben zur Zertifizierung von KI-Software in der Medizintechnik erreicht“, so BVMed-Rechtsexpertin Dr. Katja Marx.

Der deutsche Medizintechnik-Verband sieht es kritisch, wenn allgemeine und nicht-technologiespezifische Anpassungen von Haftungsfragen das im Produkthaftungsrecht ausgewogene System zwischen Verbraucherschutz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährden.

Während sich der BVMed einer Klarstellung zur Einbeziehung von Software in den Anwendungsbereich des Produkthaftungsrechts nicht völlig verschließt, lehnt er eine Umkehr der Beweislast und eine Senkung oder Abschaffung des Selbstbehalts ab.

  • Beweislastumkehr: Nach Ansicht des BVMed besteht bereits unter dem geltenden Recht eine angemessene Beweislastverteilung einschließlich Beweiserleichterungen. Starre Beweisregeln oder gar eine generelle Beweislastumkehr bergen demgegenüber die Gefahr, dass sorgfältig austarierte Risikoverhältnis zwischen Unternehmen und Verbraucher:innen, das der verschuldensunabhängigen Haftung zugrunde liegt, zu zerstören.
  • Senkung oder Abschaffung des Selbstbehalts: Die Begrenzung auf bestimmte Schutzgüter und der Ausschluss von Bagatellklagen sind wesentlicher Teil des angemessenen Ausgleichs für die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung. Eine Senkung des Selbstbehalts bei Sachschäden unter die 500-Euro-Grenze oder gar seine Abschaffung ist daher nicht erforderlich und würde das auf eine ausgewogene Risikoverteilung ausgerichtete System gefährden.

Nicht für erforderlich hält der BVMed aufgrund bereits bestehender Vorgaben für den Medizinproduktesektor eine striktere Regelung der Betreiberhaftung. Im Falle einer Harmonisierung sollte sich aus Sicht des BVMed eine verschuldensunabhängige Regelung der Betreiberhaftung allenfalls auf Hochrisikosysteme beschränken. Auch sollte in Fällen der Betreiberhaftung eine Haftungsdeckung, wie sie im Medizinproduktesektor nach Art. 10 Abs. 16 MDR bereits für Hersteller besteht, verpflichtend sein.

Haftung bei KI

Aus Sicht des BVMed besteht auch bei KI-Systemen keine Notwendigkeit, neue Haftungsmaßstäbe zu schaffen. Die gefürchtete Komplexität selbstlernender Systeme sollte vielmehr in transparenten Vorgaben für die Entwicklung und die Dokumentation der Systeme auf der regulatorischen Ebene begegnet werden. „Es sollten – so auch die Ansicht der deutschen Enquête Kommission des Bundestages (Deutscher Bundestag, Drucksache 19/23700, 28.10.2020, S. 242) – klare regulatorische Vorgaben geschaffen werden“, heißt es in der BVMed-Stellungnahme. Für Verstöße gegen diese materiellen Vorgaben wäre auch nach dem bisherigen System eine Haftung des Verantwortlichen gegeben.