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Europäische Wertegemeinschaft, Institutionen & Zukunftsdebatte

Das Momentum nutzen | EBD-Hintergrundgespräch zum vierten Europaratsgipfel

Nach fast zwei Dekaden finden sich am 16.-17. Mai wieder die Staats- und Regierungschefs – und chefinnen des Europarats zum 4. Gipfeltreffen in der 74-jährigen Geschichte des Europarates zusammen. In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen in Europa, besonders in Hinblick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, sehen sich die Mitglieder der europäischen Institution in der Verantwortung, gemeinsam über den Umgang mit dem russischen Angriffskrieg zu beraten und die zukünftige strategische Ausrichtung des Europarats zu verhandeln. Damit reagiert die Organisation auf Erwartungen, Investitionen in ihre Grundwerte Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu erhöhen. Im Fokus stehen hierbei die Fragen: Wie soll der Europarat gestaltet werden, um als starker Spieler im Europa der Zukunft auftreten zu können? Welche Antwort ist auf den russischen Angriffskrieg gefordert? Und welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um langfristig Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu sichern?

Im EBD Hintergrungespräch zum vierten Europaratsgipfel präsentierte EBD-Präsidentin Dr. Linn Selle die Erwartungen der EBD an das Gipfeltreffen. Frank Schwabe, MdB, Leiter der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, gab Einblicke in die Positionen der Parlamentsabgeordneten zum baldigen Gipfeltreffen. I.E. Botschafterin Jutta Gisela Frasch, Ständige Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland zum Europarat, ließ die Teilnehmer Einblicke in die aktuellen Verhandlungen zu den Gipfeldokumenten gewinnen und berichtete über Erwartungen an das Zusammenkommen. In der anschließenden Fragerunde konnten Teilnehmende unter der Moderation von EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann ihre Anliegen an die Panelisten herantragen.

Der Europarat hat sich zum Zeitpunkt seiner Gründung der Wahrung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in Europa verschrieben. Doch die Institution hat an Handlungsfähigkeit verloren. Die Panelisten plädierten dafür, dass die Organisation sich nun darauf fokussieren müsste, ihren Institutionen zu neuer Stärke zu verhelfen, sowie die Synergien Europas zu stärken. Nicht zuletzt ist es dabei ausschlaggebend, gesellschaftliche Kräfte einzubinden, um die Funktionsfähigkeit und Neuausrichtung der Institution zu fördern. Die anstehende Zusammenkunft löste im Deutschen Bundestag Uneinigkeit darüber aus, ob das Erstellen eines neuen Instrumentariums oder die Reformierung bestehender Instrumente der Schritt in die Zukunft sei. Finanzen müssen gestärkt und eine klare Rollenverteilung zwischen Europarat und EU geklärt werden. Die Ratifizierung der Istanbul-Konvention bildet einen essenziellen Teil darin, die Mitgliedsstaaten wieder an die Grundwerte des Europarates zu binden. Darüber hinaus müsse die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefördert werden.

In den aktuellen Verhandlungen um die Gipfeldokumente wird neben einer ausführlichen politischen Erklärung ein Teilabkommen über die Einrichtung eines Registers für die Kriegsschäden in der Ukraine diskutiert. Ebenso im Gespräch ist eine Erklärung zur Lage in der Ukraine, speziell zur Verschleppung ukrainischer Kinder. Dafür ist besonders die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof essenziell, etwa in Form einer beratenden Rolle in der Debatte um ein Sondertribunal. Finanzielle Mittel für die Durchsetzung von bestehenden Maßnahmen müssen genutzt werden, um Menschenrechte in Europa wieder effektiver zu schützen. Diese Forderung wird auch mit Blick auf vergangene Überlegungen zur Einführung neuer Instrumente laut. Diese wurden bislang mit Verweis auf finanzielle Hürden abgelehnt. Umso dringender ist es, dass sich die Staats-und Regierungsspitzen beim Gipfeltreffen in Reykjavik über die Zukunft des Europarats einig werden.