Deutsche Bank: Ambitioniert? Ja. Wirksam? Vielleicht. Die Vorschläge der Kommission zum Stabilitätspakt
Euroland ist in Bewegung – das gilt nicht nur die jüngsten Höhen und Tiefen der Haushaltspolitik und für die Entwicklungen auf den Märkten für Staatsanleihen. Das gilt auch für die Wirtschaftspolitik des Währungsraums. Am 29. September wurden die Vorschläge der Kommission aus Mai und Juni nach Abstimmung mit der van Rompuy Task Force in mehreren Gesetzesentwürfen konsolidiert. Werden die insgesamt fünf Verordnungen und der Richtlinienentwurf verabschiedet, dürfte dies das Gesicht europäischer Wirtschaftspolitik nachhaltiger verändern als alle anderen Reformen seit dem Bestehen der Eurozone.
Die Kommission hat gute Arbeit geleistet. Bei den nun vorliegenden sechs Gesetzesentwürfen geht es um nichts Geringeres als die Vorschläge der Kommission aus Mai und Juni nach Abstimmung mit der van Rompuy Task Force zu konsolidieren und in Gesetzesentwürfe zu gießen. Drei Entwürfe einer Verordnung beziehen sich auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Hinzu kommen ein Richtlinienentwurf zur Verbesserung der nationalen Haushaltspolitik und zwei weitere Verordnungsentwürfe zur Minderung makroökonomischer Ungleichgewichte in der Eurozone.
Es gibt einige zentrale Punkte, die allen Vorschlägen gemein sind.
* Die Vorgaben für die gemeinsame Fiskalpolitik und Lösungsansätze für makroökonomische Ungleichgewichte werden enger verzahnt.
* Ein zentrales Element sind verschärfte Sanktionen. Es handelt sich in der Regel um Einlagen, die je nach Anwendungsbereich verzinslich oder unverzinslich sind.
* Diese Sanktionen greifen, sobald die Kommission einen Regelverstoß feststellt und der Ecofin-Rat nicht binnen 10 Tagen mit qualifizierter Mehrheit Widerspruch einlegt. Die Kommission nennt dieses Verfahren „umgekehrte Abstimmung“.
Im Gegensatz zur umstrittenen Reform des Pakts aus dem Jahr 2005 werden die bisherigen Sanktionsmechanismen nicht ersetzt: Drei Verordnungsentwürfe ergänzen die bisherigen Sanktionen des korrektiven Arms des Pakts und führen neue Sanktionsmöglichkeiten auch im präventiven Arm ein.
* Präventiver Arm: EWU-Länder, die die Zielvorgaben hinsichtlich ihres mittelfristigen strukturellen Haushaltsdefizits (sog. „Mittelfristziel“) nicht erfüllen, dürfen ihre öffentlichen Ausgaben nicht stärker als das Potenzialwachstum ihrer Volkswirtschaft ansteigen lassen. Je mehr das tatsächliche strukturelle Defizit vom Mittelfristziel abweicht, desto stärkere Einschränkungen sind möglich. Dies soll sicherstellen, dass zusätzliche Einnahmen nicht ausgegeben sondern zur Konsolidierung der Haushalte eingesetzt werden. Bei dauerhaftem Verstoß können Sanktionen in Form von verzinslichen Einlagen in Höhe von 0,2% des BIP verhängt werden (umgekehrte Abstimmung).
* Korrektiver Arm: Eine Sanktion in Form einer (unverzinslichen) Einlage in Höhe von 0,2% des BIP wird bereits verhängt, sobald das Defizitverfahren eingeleitet worden ist und eine Empfehlung der Kommission vorliegt (umgekehrte Abstimmung). Kommt der Mitgliedstaat den Empfehlungen von Kommission und Rat nicht nach, so kann diese Einlage in eine Geldbuße von bis zu 0,5% (BIP) umgewandelt werden. Die bisherige Wartezeit von mindestens 16 Monaten bis zu Sanktionen entfällt. Dies ist nicht die einzige Neuerung. Ein Defizitverfahren soll künftig auch bei einem überhöhten öffentlichen Schuldenstand ausgelöst werden. Übersteigt dieser die Referenzmarke von 60% des BIP, sieht der Entwurf vor, dass sich der Abstand zur 60% Schwelle („Schuldenüberschuss“) über drei Jahre hinweg jährlich um mindestens 5% verringern muss. Auch diese Vorgabe ist sanktionsbewehrt. Die Tabelle zeigt den zusätzlichen Konsolidierungsdruck für Euroländer, der sich daraus ergibt. Für Deutschland und Frankreich ergeben sich je über EUR 26 Mrd., für Griechenland EUR 8,6 Mrd. und für Spanien EUR 6,5 Mrd. Diese Vorgaben unterliegen jedoch keinem Automatismus, denn ein Defizitverfahren auf Grund eines erhöhten Schuldenstandes wird nicht eingeleitet, wenn weitere Faktoren – etwa niedriges Nominalwachstum, demographischer Wandel oder Verschuldung des Privatsektors – eine Rückführung im gewünschten Maße erschweren.
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