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  • 01.03.2010 - 10:41 GMT

Deutsche Bank: Drei Faktoren für mehr Stabilität in der Eurozone

Unterschiedliche Wachstumsmodelle haben die Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer in den letzten Jahren auseinanderlaufen lassen. Diese Unterschiede wirken sich auf die Wachstumsaussichten der Länder und damit auf die Nachhaltigkeit ihrer Staatsfinanzen aus. Was ist zu tun?

Gute Wirtschaftspolitik kann an drei Faktoren ansetzen, die die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes mit seiner Haushaltslage verbinden.
Faktor 1: Haushaltspolitik
Hohe Defizite und wachsende Schuldenstände können langfristig die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft einschränken, Wachstumsperspektiven ausbremsen und dadurch die Haushaltssituation zusätzlich erschweren.
So verengen hohe Zinszahlungen im Falle hoher Staatsverschuldung den Haushaltsspielraum der öffentlichen Hand. Werden als Konsequenz wachstumsfördernde Investitionen (z.B. in Bildung oder Infrastruktur) vernachlässigt, kann das die Nicht-Preis-Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft langfristig einschränken.
Weiterhin steigt durch den zu leistenden Schuldendienst die Steuer- und Abgabenbelastung. Dadurch verringern sich die verfügbaren Einkommen und Vermögen privater Haushalte und Unternehmen – mit entsprechenden negativen Folgen für Konsum und Investitionen.
Ähnlich problematisch für das private Investitionsklima ist eine übermäßige Kreditnachfrage des Staates, die die Kreditnachfrage des privaten Sektors verdrängen kann. Eine derartige Entwicklung hat sich in den letzten Wochen auf dem Markt für Unternehmensanleihen abgezeichnet.
Faktor 2: Kapitalmärkte

Die jüngsten Reaktionen der Kapitalmärkte auf die Haushaltslagen einiger Euroländer suggerieren einen weiteren Teufelskreis: Sind Akteure auf den Kapitalmärkten von der Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft nicht hinreichend überzeugt, wird eine nachhaltige Haushaltsgestaltung erschwert. So drohen Zinszahlungen bei steigender Staatsverschuldung in solchen Ländern überproportional anzusteigen, denen es an Konsolidierungswillen fehlt und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und ein geringes Trendwachstum aufweisen. Kurzfristig kann dies die Risikoaufschläge weitaus stärker beeinflussen als absolute Schuldenstände. So notiert die Rendite spanischer Staatspapiere knapp 80 Basispunkte über deutschen Papieren, und das, obwohl Spanien mit 54% eine geringere Schuldenquote hat als Deutschland (73%).
Faktor 3: Exportorientierung
Unabhängig von nationaler Haushaltspolitik und den Kapitalmärkten kann Exportorientierung ein Bindeglied zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Schuldenstand sein.
Länder mit hoher Wettbewerbsfähigkeit erzielen mit einer hohen Exportquote eine größere Volumenwirkung ihrer komparativen Vorteile. Zum Wachstumshebel wird diese Exportorientierung dann, wenn die Unternehmen eines Landes ihre Zielmärkte global diversifizieren. Im wachstumsorientierten Umfeld der Weltmärkte kann ein höherer Export dann für mehr Wachstum und damit tendenziell höhere Steuereinnahmen sorgen. Die Rendite von Strukturreformen erhöht sich für Gesellschaft und Volkswirtschaft und macht Reformen – nicht zuletzt auf Grund des erhöhten verteilungspolitischen Spielraums – mehrheitsfähig.
In ihrer regionalen Ausrichtung unterscheiden sich die exportorientierten Euroländer jedoch noch stark. So konnte Deutschland in der Vergangenheit stark von dem Wachstum der Emerging Markets profitieren. Im Jahr 2008 verließen mehr als 27% aller deutschen Exporte den europäischen Binnenmarkt. In Frankreich und Italien war diese Quote mit je 11% deutlich niedriger – Spanien exportierte sogar nur 4% seiner Exporte auf die Weltmärkte.
Neue Dynamik oder Nivellierung?
Nun gibt es Stimmen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Spitzengruppe als Ursache der Schwäche der Nachzügler in der Eurozone orten. Oft ist zu hören, dass exportorientierte Länder ihren Konsum über Binnenlohnerhöhungen steigern sollten. Ein Nebeneffekt wäre ein verkleinerter Abstand zu den Nachzüglern. Derartige Vorschläge mögen zwar populär sein, greifen jedoch zu kurz, da sie letzten Endes nur auf den Faktor Exportorientierung abstellen. Eine überzeugende Lösung, die eine Konvergenz der Wettbewerbsfähigkeit fördert und fiskalische Nachhaltigkeit fördert, muss jedoch alle drei Faktoren berücksichtigen.
Die eigentliche Baustelle sind die strukturellen Schwächen der Nachzügler. Daher gilt es, kurzfristig über strikte Haushaltskonsolidierung (das bedeutet: Ausgabenkürzungen und eine bessere Steuer(v)erfassung) das Vertrauen der Kapitalmärkte zurückzugewinnen. Mittel- und langfristig müssen dann nationale Wachstumsmodelle hinterfragt werden, die konsumorientiert in Stagnation verharren oder kreditfinanziert in eine Wachstumssackgasse geführt haben. Am Strukturwandel ganzer Volkswirtschaften hin zu wissensintensiven und dienstleistungsstarken Modellen mit einer höheren Exportorientierung führt kein Weg vorbei.
Die jüngsten Auflagen für Griechenland zeigen, dass Kommission und Rat ihr Mandat im Sinne einer künftig weniger heterogenen und insgesamt wettbewerbsfähigeren EWU wahrnehmen und den Vertrag von Lissabon entsprechend anwenden. Sollten sich Pläne für eine europäische Wirtschaftsregierung konkretisieren, müssen exportorientierte Länder dafür eintreten, dass dieser Kurs gehalten wird. Nicht die Nivellierung der Spitzengruppe, sondern das Aufschließen der Nachzügler sollte gefördert werden. Mehr Wettbewerbsfähigkeit muss zwischen den Euroländern kein Nullsummenspiel sein. Ihr Exportmarkt ist nicht Europa, sondern die Welt.