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Europäische Wertegemeinschaft

Demokratie lebt von der Stärke ihrer Zivilgesellschaft

Dachverbände fordern sichere Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement

Angesichts diverser Vorstöße zur Einschränkung der Gemeinnützigkeit von Vereinen und Verbänden haben die großen Dachorganisationen Deutscher Bundesjugendring (DBJR), Deutscher Naturschutzring (DNR), Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB), Verband für Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) und Deutscher Kulturrat am Mittwochabend bei einem Parlamentarischen Abend in Berlin auf die enorme Bedeutung hingewiesen, die zivilgesellschaftlichen Organisationen für eine lebendige und starke Demokratie zukommt.

„Die sinkende Mitgliederzahl von Parteien macht es deutlich: Die Politik verliert an Bindungskraft, weil sie den Menschen keine Antworten und Konzepte auf die großen sozialen und ökologischen Herausforderungen bietet. Die Menschen fühlen sich von der Politik nicht mehr verstanden, nicht mehr mitgenommen. Da ist es kein Wunder, dass sich die Mitte der Gesellschaft in Verbänden und Bewegungen organisiert, um die Zukunft Deutschlands mitzugestalten. Anstelle diese Zivilgesellschaft zu attackieren, sollte die Politik uns als Partner im Ringen um eine bessere Zukunft akzeptieren und gemeinsam Lösungen für die großen Herausforderungen des sozialen und ökologischen Wandels formulieren. Demokratie hat mit einer starken Bürgergesellschaft eine Zukunft“, sagt DNR-Präsident Kai Niebert.

Wie weitreichend das zivilgesellschaftliche Engagement in Deutschland verankert ist, lässt sich besonders im Bereich Sport zeigen: Mit rund 27 Millionen Mitgliedschaften in mehr als 90.000 Sportvereinen bildet der Sport die größte zivilgesellschaftliche Gemeinschaft. Jan Holze, Präsidiumsmitglied des Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB): „Der Sportsektor basiert auf ehrenamtlichem Engagement und der Arbeit gemeinnütziger Vereine. Diese Vereine als Keimzellen unserer Demokratie in Deutschland tragen tagtäglich dazu bei, dass Bewegung und Gesundheit, Leistung und Lebensfreude, Inklusion und Integration, aber auch demokratische Entscheidungsprozesse gelebt und erlebbar werden. Die Vereine als tragende Säule der Gesellschaft bedürfen deshalb besonderer Aufmerksamkeit und Unterstützung, um Orte des Zusammenkommens und des Austausches zu ermöglichen und einer weiteren Spaltung entgegen zu wirken.“

Neben dem täglichen gesellschaftlichen Engagement übernehmen zivilgesellschaftliche Organisationen eine Brückenfunktion zwischen Bevölkerung und Politik. Ihre bisweilen kritische Begleitung und Kontrolle politischer Prozesse gehören zum anerkannten demokratischen Selbstverständnis freiheitlicher Gesellschaften. „Der Staat muss das Handeln zivilgesellschaftlicher Organisationen unterstützen und eine echte Ermöglichungspolitik für zivilgesellschaftliches Engagement in den Vordergrund rücken. Es macht einen Staat aus, dass er sich eine solche kritische Zivilgesellschaft auch leistet“, so Lisi Maier,Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendring (DBJR).

Kleine Anfragen im Bundestag zur Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Nichtregierungsorganisationen, Initiativen zur Einschränkung der Verbandsklagerechte sowie Vorstöße zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit hatten in der Vergangenheit dazu geführt, dass zivilgesellschaftliche Organisationen sich in ihrer Arbeit eingeschränkt fühlen. Trauriger Höhepunkt war bisher die Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Netzwerks Attac.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates: „Eine lebendige Zivilgesellschaft ist unverzichtbar für die Demokratie. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind nicht die Meckerer, sie sind die Gestalter des gesellschaftlichen Zusammenhalts und legen, wenn es Not tut, den Finger in die Wunde. Wenn eine sich selbst ermächtigende Zivilgesellschaft vom Staat ausgetrocknet wird – und das können wir leider in einigen europäischen Ländern beobachten – stirbt letztlich auch ein wichtiger Teil der Demokratie.“

Angesichts der wachsenden gesellschaftlichen Herausforderungen bedarf es mehr denn je eines zivilgesellschaftlichen Engagements in Deutschland und Europa. Gleichzeitig wird der Handlungsspielraum von Mal zu Mal kleiner. Das Thema „Shrinking Spaces“ hat nicht nur international ein dramatisches Ausmaß angenommen, sondern stellt die Zivilgesellschaft auch in Deutschland vor zunehmende Herausforderungen.

Heike Spielmans, Geschäftsführerin vom Verband für Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO): „Mit großer Sorge beobachten wir, wie seit Jahren zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit in ihren Handlungsspielräumen eingeschränkt werden. Es ist alarmierend und Ausdruck einer weltweiten Krise der Demokratie, dass dieser Trend auch in der Europäischen Union angekommen ist. Noch ist Deutschland eines der Länder, in denen der zivilgesellschaftliche Handlungsraum als offen bewertet wird. Die Regierungsparteien müssen dafür sorgen, dass das auch so bleibt.“

Die Verbände DBJR, DNR, DOSB, Kulturrat und VENRO stellen sich gemeinsam gegen die wachsende Bedrohung der Gemeinnützigkeit und wollen sich künftig verstärkt für sichere Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement seitens der Politik einsetzen.