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Europakommunikation, Institutionen & Zukunftsdebatte

Deutsche Europapolitik & EU-Zukunftskonferenz in den Fokus der Koalitionsverhandlungen stellen | Panels bei EBD-Mitgliederversammlung

Welche europapolitischen Erwartungen stellen die gesellschaftlichen Kräfte inhaltlich und strukturell an die neue Bundesregierung? Und welche Rolle sollte die Konferenz zur Zukunft Europas aus parlamentarischer Sicht dabei spielen? Pünktlich zum Abschluss der Sondierungsgespräche am 15. Oktober 2021, die den Weg für die Ampel-Koalitionsverhandlungen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP freimachten, boten zwei Paneldiskussionen bei der Mitgliederversammlung der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) Gelegenheit diese Fragen zu diskutieren. 

Den Auftakt machten Prof. Dr. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Dr. Volker Treier, Mitglied der Hauptgeschäftsführung und Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) und Wendelin Haag, Vorsitzender des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR). Unter Moderation von EBD-Vorstandsmitglied Dr. Jana Puglierin diskutierte das digital zugeschaltete Panel die europapolitischen Erwartungen an die nächste Bundesregierung. Obwohl Lösungen zu den wichtigen Wahlkampfthemen Klimapolitik, Digitalisierung und die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie insbesondere auf europäischer Ebene zu finden sind, spielte Europapolitik im Bundestagswahlkampf eher eine untergeordnete Rolle – darin waren sich die Panelisten einig.

Foto: EBD/ Jens Schicke

Neben dem Fokus auf den Klimaschutz müsse die neue Bundesregierung das Ziel verfolgen, Europa als Lebens- und Wohlstandsstandort beizubehalten, so Treier. Das erste Querlesen des Sondierungspapiers mache Mut auf ein gestärktes Europa, schloss Niebert an. Dies sei wichtig, da sich Zukunftsfragen, wie in der Klimapolitik, nur mit und in Europa lösen lassen würden. Haag mahnte mit Blick auf die Bilanz der letzten Legislatur zu wenig Gestaltungswillen bei der Bundesregierung an – was sich etwa in der fehlenden Reaktion auf die Impulse des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gezeigt habe. 

Auf die Frage nach den Erwartungen zur Koordinierung deutscher Europapolitik betonte Haag, dass ein nachhaltiges Europa damit einhergehe, dass Investitionen und politische Reformen ganzheitlich angegangen werden, womit eine bessere europapolitische Koordinierung der Bundesregierung einhergehen sollte. Niebert bekräftigte, dass Koordinierungsprobleme das Ergebnis mannigfaltiger Interessenkonflikte der einzelnen Ministerien seien. Es brauche eine kohärente Politik zwischen den einzelnen Ressorts. Auch Treier erklärte, dass es eine neue Vision, ein neues Thema für Europa brauche, das sich quer durch die Ressorts zöge.

Botschafter Armando Varricchio | Foto: EBD/ Jens Schicke

Die Koordination deutscher Europapolitik war auch Thema bei der zweiten Paneldiskussion, die der italienische Botschafter in Berlin Armando Varricchio mit einem Impuls einleitete. Er betonte, dass Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt der notwendigen Veränderungen zur Bewältigung von Zukunftsfragen stehen müssten. Gerade daher sei es wichtig, das Bewusstsein für die und das Gelingen der Konferenz zur Zukunft Europas voranzutreiben, wofür gesellschaftliche Kräfte wie die EBD eine zentrale Rolle einnehmen würden. 

Anschließend diskutierten Hildegard Bentele MdEP (CDU), Gabriele Bischoff MdEP (SPD), Damian Boeselager MdEP (Volt Deutschland), Konstantin Kuhle MdB (FDP) und Niklas Nienaß MdEP (Bündnis 90/Die Grünen) mit EBD-Generalsekretär Bernd Hüttemann ihre Erwartungen an die EU-Zukunftskonferenz. Für ihr Vorankommen sollte man nicht länger über Verfahren streiten, sondern endlich über Inhalte diskutieren, appellierte Bischoff. Bürgerinnen und Bürger sowie organisierte gesellschaftliche Kräfte hätten viel Engagement und Innovation gezeigt, was nun Anwendung finden müsse. Auch Nienaß sprach sich für klare, verbindliche Ergebnisse der Konferenz aus, da sonst Bürgerinnen und Bürger wie auch gesellschaftliche Kräfte verprellt würden. Um den öffentlichen Druck auf Konferenzergebnisse zu erhöhen, müssten die Debatten der Zukunftskonferenz öffentlichkeitswirksam geführt werden. Für die deutsche Ebene bestätigte Kuhle, dass im Europausschuss des Bundestags wie in der breiteren Wahrnehmung der Konferenz mehr über Strukturfragen als über inhaltliche gesprochen worden sei. Eine Generaldebatte im Plenum zur Zukunftskonferenz sei ausgeblieben. Gerade weil Vertragsänderungen so dringend notwendig seien, müsste ein klares Signal für diese vom neuen Bundestag ausgehen, der die Zukunftskonferenz endlich in einer Plenaraussprache behandeln sollte.

Foto: EBD/ Jens Schicke

Bei der Frage nach dem Nutzen der digitalen Plattform der Konferenz waren die Panelisten uneins. Bischoff betonte, dass die bestehende Plattform zu wenig Engagement hervorrufe, das nicht in die Breite der Gesellschaft gehe, und daher weiterentwickelt werden müsse. Zwar könne man stolz auf einige Initiativen der Plattform blicken, aber insgesamt sei die angestrebte Partizipation nicht erreicht worden, meinte Boeselager. Bentele hingegen bewertete den niedrigschwelligen Zugang zur Plattform positiv, schloss sich aber der Einschätzung an, dass mehr Gesellschaftsgruppen für die Konferenz gewonnen werden müssten. In Bezug auf die Inhalte ergänzte Kuhle, dass die Konferenz vor allem steile Thesen und kontroverse Themen diskutieren sollte, was in den stattgefundenen Bürgerräten bisher zu kurz gekommen sei. Ebenso pflichteten die Podiumsteilnehmenden der Kritik bei, dass die digitale Plattform nicht zwischen Beiträgen von einzelnen Privatpersonen und repräsentativen Akteurinnen und Akteuren unterscheide. Dass gesellschaftliche Kräfte ihre Positionen bereits im demokratischen Verfahren abgestimmt haben, werde auf der Plattform nicht gewichtet. 

Foto: EBD/ Jens Schicke

Abschließend stand die Beteiligung der repräsentativen gesellschaftlichen Kräfte an der Konferenz und der Zeitplan der Konferenz im Fokus der Debatte. Dass der Zeitplan aufgrund der französischen Präsidentschaftswahl auf das Konferenzende im Frühjahr 2022 so begrenzt sei, sollte man nutzen statt es zu torpedieren, meinte Boeselager. Eine Verlängerung der Konferenz sei aber dennoch notwendig. Nienaß nahm Bezug zum Sondierungspapier, das viele gute europapolitische Punkte enthalte, allerdings den Bezug zur Zukunftskonferenz ausließe. Bentele betonte, dass es einen Plan B brauche, da unter dem aktuellen Zeitplan beispielsweise Vertragsänderungen nicht realistisch besprochen werden könnten. Stattdessen müssten Ziele gesetzt werden, die bis April realistisch erreicht werden könnten. 

Beide Paneldiskussionen können hier abgerufen werden (Panel 1 ab 00:41:00 und Panel 2 ab 01:33:00).