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  • 18.05.2010 - 12:48 GMT
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DGAP: Europäisch aufbegehren! Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) – Feigenblatt oder echte Mitbestimmung?

„Die Europäische Bürgerinitiative: Feigenblatt oder echte Mitbestimmung?“ Dies war das Thema einer Konferenz, die am 10. Mai 2010 im Europäischen Haus Unter den Linden stattfand. Organisiert vom Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen an der DGAP und Mehr Demokratie e.V., diskutierten über 100 Vertreter aus Politik, NGOs und Think Tanks über die Chancen und Grenzen der Europäischen Bürgerinitiative, die als wichtige Neuerung im Vertrag von Lissabon vorgesehen ist.

Nach dem Inkrafttreten des Vertrags im vergangenen Jahr hat die Kommission im März 2010 einen Verordnungsentwurf zur Umsetzung der EBI vorgelegt. Ziel der Tagung war es, den Vorschlag der Kommission kritisch zu beleuchten und konkrete Verbesserungsvorschläge zu machen.
Jean-Jacques Nuss von der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin und Dr. Michael Efler, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie, bereiteten mit der Vorstellung des Entwurfs und zwei unterschiedlichen Bewertungen den Auftakt für eine lebhafte Diskussion. „Die Europäische Bürgerinitiative ist das erste weltweite Instrument für transnationale, partizipative Demokratie mit dem Ziel, die EU-Agenda zu beeinflussen. Das begrüßt die Kommission ausdrücklich“, so Nuss bei der Vorstellung des Verordnungsentwurfs. Gleichzeitig stelle der Entwurf einen ausgewogenen Kompromiss aus den bisherigen Diskussionen dar. „Die EBI kann ein Schrittmacher sein für mehr Bürgerbeteiligung in der EU und in ihren Mitgliedstaaten, aber die Chancen, die sie bietet, werden durch den Entwurf der EU-Kommission nicht ausgeschöpft“, so hingegen die Einschätzung Michael Eflers. Zwar begrüße er etwa die Möglichkeit der Onlineeintragung von Stimmen zur vereinfachten Unterschriftensammlung. Gleichzeitig garantiere der Entwurf jedoch keine Rechtsfolgen für die Kommission, so dass die Gefahr der willkürlichen Verweigerung einer EBI durch die Kommission nicht auszuschließen sei. Laut Efler sei die EBI außerdem nach jetzigem Stand zwar eine Anregung, könne jedoch nicht als Lösung für das Demokratiedefizit in Europa gesehen werden.
Im anschließenden Expertenhearing waren sich auch weitere Vertreter von NGOs wie Greenpeace, weed und Attac einig, dass die EBI noch deutlich verbessert werden müsse. Eine erfolgreiche Bürgerinitiative sei mit hohem Aufwand verbunden, müsse laut Verordnungsentwurf derzeit jedoch nicht bindend von der Kommission in Betracht gezogen werden. Eine Nichtumsetzung berge Potenzial für Frustration unter den Bürgern. Kritisiert wurde auch die geforderte Angabe der Personalausweis- oder Sozialversicherungsnummer sowie die späte Zulässigkeitsprüfung einer EBI durch die Kommission, die erst bei 300 000 gesammelten Unterschriften erfolgen soll.
Die Tagung wurde mit einer lebhaften Paneldiskussion abgerundet. Moderiert von Cornelius Adebahr von der DGAP diskutierte Almut Möller (DGAP) zusammen mit Europa- und Bundestagsabgeordneten sowie den ehemaligen Mitgliedern des Verfassungskonventes Professor Jürgen Meyer und Sylvia-Yvonne Kaufmann über den Verordnungsentwurf und die Perspektiven der EBI. „Eigentlich wollten wir ein Referendum in der europäischen Verfassung haben“, sagte Jürgen Meyer als einer der Väter der Initiative. „Da wir das nicht erreicht haben, ist die EBI nun der Versuch, den Fuß in die Tür der Mitbestimmung zu bekommen, damit sie nicht endgültig zugeschlagen wird.“ Gerald Häfner, Mitglied des Europäischen Parlaments, betonte, dass die EBI im Parlament intensiv diskutiert werde, dass die größte Hürde jedoch bei den Mitgliedsstaaten liege. Viele Staaten hätten bisher keine Erfahrung mit Bürgerinitiativen und die Angst vor der Bürgerbeteiligung sei europaweit deutlich zu spüren. Gleichzeitig herrschte allgemeine Zustimmung, dass die EBI bis zum endgültigen Inkrafttreten Ende des Jahres noch deutliches Potenzial für Verbesserung biete und es noch Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Gestalt der EBI gebe. Kontaktperson DGAP: Almut Möller (moeller@dgap.org)