DGB: Stabilitätspakt: Ökonomische Vernunft statt Prinzipienreiterei
Europa ist auch im Jahr 2014 gespalten: wirtschaftlich, politisch und sozial. Auch wenn es uns relativ gut geht: Die meisten EU-Länder haben mit einer hartnäckigen Wirtschaftskrise, hoher Arbeitslosigkeit – insbesondere Jugendarbeitslosigkeit – wachsender Armut, sinkenden Investitionsquoten, einer schleichenden Deflationsgefahr und einer Deindustrialisierung zu kämpfen. Dieses Schreckgespenst macht nicht einmal vor großen Volkswirtschaften wie Frankreich und Italien halt.
Nun ist erneut eine Debatte über Sinn und Zweck des Stabilitätspaktes und der Sparprogramme entbrannt: Festhalten an Sparvorgaben oder Vorrang der Krisenbekämpfung – notfalls kreditfinanziert? Frankreich und Italien wollen erst dann sparen und ihre öffentliche Verschuldung zurückfahren, wenn das Wachstum anzieht. Sigmar Gabriel unterstützt den Vorstoß, die CDU/CSU und die Bundesbank hingegen lehnen ihn strikt ab. Verträge seien auch in schwierigen wirtschaftlichen Phasen einzuhalten. Sonst werde das hart errungene Vertrauen der Finanzmärkte verspielt und das „Schuldenmachen“ präge wieder die Politik.
Doch der Stabilitäts- und Wachstumspakt bietet schon heute eine gewisse Flexibilität, um den Zeitpunkt des Sparens in den Krisenländern aufzuschieben, auch ohne erneut Änderungen an ihm vornehmen zu müssen. Es stellt sich nur die Frage, ob politisch und ökonomisch ein striktes Festhalten am Sparkurs für die Länder, die in der Krise stecken, Sinn macht oder nicht. Schließlich ist die Frage des Schuldenabbaus nicht nur eine juristische Frage, sondern vor allem eine des richtigen Zeitpunktes und der Art der ergriffenen Sparmaßnahmen. Hierfür sind etliche Erkenntnisse vorhanden, um zu einem vernünftigen Urteil zu gelangen. Befindet sich ein Land im konjunkturellen Abschwung und versucht seine Schulden durch Ausgabenkürzungen abzubauen, verursacht dies bei 100 Euro Ausgabenkürzungen einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 249 Euro, also um das 2,5fache, und verschärft dadurch sogar die Rezession (siehe Abbildung). Im Aufschwung hingegen verursacht die gleiche Maßnahme weniger Schäden: Das BIP schrumpft um lediglich 35 Euro. Sinn macht der Schuldenabbau im Aufschwung und am besten über höhere Steuereinnahmen. So lassen sich Schulden senken und gleichzeitig das BIP erhöhen.
Fazit: Sparen während einer Rezession verschärft die Krise mit massiven Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Die Bundesbank und die CDU reiten auf Prinzipien, deren strikte Befolgung in den Krisenländern die Probleme vergrößert und nicht löst.
Schuldenabbau setzt Aufschwung voraus, wie der Fall Deutschland belegt: Der Bundesfinanzminister baut Schulden schneller ab als er es sich je erträumt hätte – weil die Wirtschaft wächst, und nicht weil wir uns auf griechische Art kaputtsparen. Deshalb ist der französisch-italienische Vorstoß mit Gabriels Unterstützung ökonomisch vernünftig. Mit weniger Spardruck und mehr Zukunftsinvestitionen kommt Europa zu mehr Wachstum und Beschäftigung. Erst dann lassen sich auch Schulden abbauen. Vorher aber nicht.