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  • 08.03.2010 - 10:52 GMT
  • DGB
Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit & Verbraucherschutz

DGB: Warum wir Griechenland helfen müssen

Die Finanzkrise schüttelt die Europäische Währungsunion kräftig durch. Spekulanten wetten auf die Pleite Griechenlands. Mit dabei sind J.P. Morgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Barclays und die Deutsche Bank – Geldhäuser, die es ohne Staatshilfen nicht mehr geben würde. Doch die Probleme Griechenlands sind die Probleme des gesamten Eurolandes. Deshalb muss Griechenland unterstützt werden, schreibt DGB Vorstandsmitglied Claus Matecki.

Die Finanzkrise schüttelt die Europäische Währungsunion kräftig durch. Spekulanten wetten mit Kreditderivaten auf die Pleite Griechenlands. Dick im Geschäft sind J.P. Morgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Barclays und natürlich die Deutsche Bank. Allesamt Geldhäuser, die es ohne Staatshilfen heute nicht mehr geben würde. Besonders dreist ist das Verhalten der „Goldmänner". Erst halfen sie der griechischen Regierung bei der Bilanzfälschung, anschließend spekulieren sie mit den erworbenen Insiderkenntnissen auf den Untergang der Akropolis. Der volkswirtschaftliche Schaden ist groß: Die hellenischen Kreditkosten steigen, der Euro stürzt ab, die Börsen fahren Achterbahn. Investmentbanken, Rating-Agenturen und Hedge-Fonds entscheiden über die Zukunft Athens. Und das nur wenige Monate nachdem Wall Street & Co die Weltwirtschaft in den Abgrund gestürzt haben.
Eigentlich müsste die Politik jetzt den Finanzmärkten entschlossen die Stirn bieten. Was wir aber erleben ist eine griechische Tragödie. Die Europäische Politik ist den Herausforderungen nicht gewachsen. Anstatt Athen sofort mit frischem Geld zu versorgen – durch eine Euroanleihe, den Kauf griechischer Anleihen, Beistandskredite oder direkte Finanzhilfen – stellen die Finanzminister und die Zentralbank die Griechen an den Pranger. Der „korrupte und faule Grieche" solle erst einmal seinen eigenen Stall ausmisten.
Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Schließlich hat die Europäische Kommission die griechischen Finanznöte mitverschuldet. Unter dem tosenden Beifall Brüssels senkte die griechische Regierung die Steuern. Die Steuerquote – der Anteil der Steuereinnahmen am Sozialprodukt – liegt heute drei Prozentpunkte niedriger als zur Jahrtausendwende. Die griechischen Staatsausgaben liefen, entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil, nie aus dem Ruder. Unmittelbar vor der Krise betrug die griechische Staatsquote – Anteil der Staatsausgaben am Sozialprodukt – gerade einmal 43,6 Prozent. Dies waren rund fünf Prozentpunkte weniger als zehn Jahre zuvor. Zudem lag die hellenische Staatsquote immer unter dem EU-Durchschnitt. Die Steuermindereinnahmen sind für ein Viertel des aktuellen Haushaltsdefizits verantwortlich. Das Rekorddefizit ist somit das Ergebnis aus Wirtschaftskrise und Steuersenkungspolitik.
Mit brachialer Sparpolitik soll nun der Haushalt saniert werden. Ganze 9 Prozent des Sozialproduktes oder rund 23 Milliarden Euro soll der oberste hellenische Schatzmeister in den nächsten drei Jahren einsparen. Das bedeutet: Niedrigere Löhne und Gehälter, weniger öffentliche Investitionen und Sozialleistungen sowie eine höhere Mehrwertssteuer. Doch wie soll Griechenland mit einer Magerkur die Wirtschaftskrise überwinden? Auch die Griechen können sich nicht aus der Krise heraussparen.
Die Probleme Griechenlands sind die Probleme des gesamten Eurolandes. Sie können nicht allein auf der Akropolis gelöst werden. Die Eurozone ist eine ökonomische Zweiklassengesellschaft. Es gibt hoch wettbewerbsfähige Volkswirtschaften, wie Deutschland oder Österreich. Dort stiegen die Löhne mit der Produktivität. Im Süden der Eurozone kletterten die Löhne hingegen deutlich stärker als die Produktivität. Die griechischen Lohnstückkosten – das Verhältnis von Löhnen und Produktivität – sind zwischen 2000 und 2008 geradezu explodiert. Sie nahmen zehnmal so stark zu wie hierzulande. Griechenland, Spanien, Portugal und Italien verloren somit kontinuierlich an preislicher Wettbewerbsfähigkeit. Folglich verdrängten deutsche Waren und Dienstleistungen die südeuropäischen Produkte und Hersteller. Die Handelsungleichgewichte innerhalb des Euroraums wurden immer größer. Da die Lieferungen aber auch bezahlt werden mussten, kümmerten sich die Exportländer um die Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden. Dem Warenexport folgte der Kapitalexport. Somit färbten sich auch die südeuropäischen Leistungsbilanzen tiefrot. Diese nicht nachhaltige Entwicklung endet zwangsläufig in der Schuldenfalle. So steht Griechenland allein bei den deutschen Geldhäusern mit 43 Milliarden US-Dollar in der Kreide. Alle Mittelmeerländer zusammen und Irland schulden Ackermann, Blessing & Co fast eine halbe Billion US-Dollar.
Da ist guter Rat teuer. Ohne Euro, könnten Griechenland, Spanien & Co jetzt ihre nationalen Währungen abwerten. Dadurch könnten sie billiger exportieren und somit an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Im gemeinsamen Währungsraum geht das nicht. Hier erfolgt die Anpassung über die Löhne. Sinkende Löhne könnten griechische Waren wieder konkurrenzfähig machen. Lohnverzicht bedeutet aber gleichzeitig weniger Nachfrage. Die aktuelle Krise, die sich durch Nachfragemangel auszeichnet, würde sich noch weiter verschärfen. Daran kann auch Deutschland kein Interesse haben. Schließlich exportieren wir fast 100 Milliarden Euro in die südeuropäischen Mitgliedsstaaten und nach Irland.
Noch ist es nicht zu spät, aber es bleibt nicht mehr viel Zeit. Athen muss bis April mehr als 20 Milliarden Euro refinanzieren. Die Risikoaufschläge sind hoch. Die Spekulanten reiben sich die Hände. Europa muss Athen jetzt finanziell unter die Arme greifen. Doch damit nicht genug. Das schwer angeschlagene südliche Euroland braucht eine Chance wieder auf die Beine zu kommen. Griechenland, Spanien & Co können aus dem Schuldenberg nur herauswachsen. Folglich muss das ökonomisch schädliche Brüsseler Spardiktat fallen. Auch deshalb solidarisiert sich der DGB mit den griechischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und fordert zugleich, dass die Verursacher auch die Zeche zahlen.