DIHK: Aller Anfang ist schwer – aber Reformagenda wird sich auszahlen
Der Krisenschock in Europa sitzt tief: Die Verschuldung erreicht in vielen Ländern ein besorgniserregendes Ausmaß. Auch in Deutschland liegt sie bei 80 Prozent der Wirtschaftskraft – obwohl die Euro-Stabilitätskriterien nur 60 Prozent zulassen.
Etliche Länder sind aufgewacht und packen überfällige Maßnahmen zur Haushaltssanierung und Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit an. Mittlerweile kürzt Griechenland im Staatsapparat, Portugal streicht Feiertage, Irland erhöht das Rentenalter. Spanien verabschiedet eine Schuldenbremse, Italien flexibilisiert seinen Arbeitsmarkt. Die Liste der Maßnahmen ist lang – und wird täglich länger.
Europa muss sich flott machen
Die Euro-Staaten müssen ihre Gipfel-Beschlüsse daheim konsequent vorantreiben. Dann kann Europa sich langsam, aber sicher aus der Krise arbeiten. Sparen und Reformen sind keine Strafaktionen, sondern Grundlage für Vertrauen und künftiges Wachstum. Das können die Staaten nur selbst schaffen. Weder die Europäische Zentralbank noch einzelne Staaten dürfen dauerhaft für die Schulden anderer einstehen. Eine wichtige Disziplinierungsfunktion erfüllen nationale Schuldenbremsen, auf die sich die Staaten geeinigt haben.
Spät, aber nicht zu spät
Selbst bei einem scheinbar aussichtslosen Schuldenstand ist eine Haushaltskonsolidierung möglich. Beispielsweise hat von 1993 bis 2007 Belgien seine Schulden von 133 auf 84 Prozent der Wirtschaftskraft reduziert, Irland von 94 auf 25 Prozent und Schweden von 70 auf 40 Prozent. Auch bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit lohnen sich Anstrengungen: Vor nicht einmal zehn Jahren galt Deutschland als „kranker Mann“ Europas. Dann haben sich die Betriebe neu aufgestellt und in Innovationen investiert. Die Tarifpartner leisten mit moderaten Lohnsteigerungen seit Jahren einen wichtigen Beitrag, Kostennachteile zu verringern. Und die Politik hat ihre Hausaufgaben z.B. in Form der Agenda 2010 gemacht.
Geduld gefragt – bei Politik und Investoren
Ein konsequenter Spar- und Modernisierungskurs braucht Zeit. Ein Hoffnungsschimmer schon jetzt: Die Exporte der meisten Krisenstaaten beleben sich allmählich, wenn auch auf schmaler Ausgangsbasis. Die Finanzmärkte gewinnen langsam Vertrauen zurück: Sie honorieren die Mühen, indem sie niedrigere Risikoaufschläge für Staatsanleihen verlangen. Ausschließlich durch Ausgabenkürzungen lassen sich Staatsfinanzen aber nicht sanieren. Die für mehr Wachstum nötigen Impulse können nur von der Privatwirtschaft kommen – dafür sind gute Investitions- und Beschäftigungsbedingungen erforderlich.
Kein Anlass für Selbstzufriedenheit
Auch Deutschland muss sich noch kräftig strecken, um seine Schuldenbremse tatsächlich einzuhalten – zumal gleichzeitig die demografische Entwicklung und die Energiewende zu stemmen sind:
- Um die Staatsfinanzen zu sanieren, braucht Deutschland mehr Wachstum bei gleichzeitiger Ausgabendisziplin. Dafür sind ein besseres Steuersystem mit weniger Ausnahmen und der Verzicht auf die Substanzbesteuerung notwendig. „Keine Politik auf Pump“ darf jedenfalls nicht heißen „Steuern rauf“.
- Unsere europäischen Nachbarn machen sich auf den Weg, in Sachen Wettbewerbsfähigkeit aufzuholen. Das sollte anspornen. Vor allem die Fachkräftesicherung bleibt eine Herausforderung für die Unternehmen, aber auch für Bund und Länder. Nachholbedarf besteht beispielweise bei der frühkindlichen Bildung, bei der Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Aus-, Weiterbildung und Studium sowie bei der Bereitschaft für lebenslanges Lernen.