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DIHK | EU-Schuldenregeln: Unternehmen setzen auf eine erfolgreiche Reform

Die aktuelle Debatte um eine Reform der Schuldenregeln des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes hat eine große Relevanz für Unternehmen. Hohe Kreditaufnahmen verpflichten die Mitgliedstaaten, in ihren Haushalten Tilgungen und – tendenziell steigende – Zinszahlungen einzuplanen. Das engt zukünftig den Spielraum in den öffentlichen Etats ein, in bessere Infrastruktur, Bildung und allgemein wachstumsrelevante Bereiche zu investieren. Zudem lehrt die Vergangenheit, dass als Folge engerer Budgets nicht selten Steuererhöhungen beschlossen werden. Diese entziehen den Unternehmen wiederum Mittel, die dann nicht für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung stehen. Die derzeitigen Krisen zeigen darüber hinaus, dass hoch verschuldete Staaten begrenzte Möglichkeiten haben, Betriebe in schwierigen Phasen finanziell zu unterstützen. So gibt es aus Sicht der Wirtschaft gute Gründe für den neuen Anlauf der EU-Kommission, die Durchschlagskraft der Verschuldungsregeln zu erhöhen.

Klare Vorgaben für verschuldete Mitgliedstaaten

Grundidee der EU-Kommission ist es, statt einem unübersichtlichen Nebeneinander von Zielen zu Haushalt, Reformen und Investitionen in Zukunft nur noch eine einfache und praktikable Größe in den Blick zu nehmen: die Höhe der von einer Regierung selbst zu steuernden Ausgaben. Diese werden als „Primärausgaben“ bezeichnet. Tilgungs- und Zinszahlungen, die Folge der Entscheidungen früherer Regierungen sind, sollen außen vor bleiben. Auf Basis der Primärausgaben empfiehlt die EU-Kommission den Mitgliedstaaten einen Schuldenanpassungspfad über vier Jahre. Die betroffenen Länder können einen um drei Jahre verlängerten Anpassungszeitraum vorschlagen, wenn sie diesen durch eine Reihe von Reformen und Investitionsverpflichtungen glaubhaft untermauern. Gerade letzteres ist auch für die Unternehmen wichtig. Nur wenn die vorgelegten Planungen plausibel sind und die jährliche Neuverschuldung nicht mehr als drei Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) beträgt, dürfen Kommission und Rat den nationalen Ausgabenprioritäten zustimmen.

Durchsetzungskraft erhöhen, Kontrollen und Sanktionen enger verbinden

Die Mitgliedstaaten werden angehalten, die Umsetzung ihrer Pläne künftig in jährlichen Fortschrittsberichten transparent zu machen. Dieses Verfahren hat sich zuletzt beim Corona-Wiederaufbauplan „NextGenerationEU“ bewährt und soll bei einem übermäßigen Defizit erhalten bleiben. Allerdings sind gemäßigtere Sanktionen im Falle des Nichteinhaltens der Vorgaben geplant. Die Zahlungen konnten in der Vergangenheit 0,2 Prozent des BNE betragen und sollen nun deutlich niedriger ausfallen.

Verhandlungen im Detail starten 2023

Der Reformvorschlag der Kommission soll noch in diesem Jahr auf der Agenda eines Treffens der EU-Finanzministerinnen und -minister stehen. Tiefergehende Beratungen finden voraussichtlich ab März 2023 statt. Spätesten zur Bewertung der nationalen Pläne für das Haushaltsjahr 2024 müsste bekannt sein, welche Maßstäbe anzulegen sind. Vermutlich wird den Mitgliedstaaten ein größerer Spielraum für nationale Ausgabenschwerpunkte eingeräumt.

Sanktionen wurden in der Vergangenheit oftmals auch dann nicht verhängt, wenn sie eigentlich durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgeschrieben waren. Die bisherigen EU-Defizitregeln haben daher die aktuell hohen Schuldenstände nicht verhindern können. 14 von 27 EU-Mitgliedstaaten haben eine Schuldenstandsquote von mehr als 60 Prozent, in 15 von ihnen liegt die jährliche Neuverschuldung über 3 Prozent. Mehr Zeit für die Mitgliedstaaten beim Schuldenabbau muss für diese einen verbindlichen Abbaupfad bedeuten. Bei einem Abweichen sollten Sanktionen tatsächlich greifen. Denn nur, wenn hohe Schuldenstände schrittweise und stetig abgebaut werden, haben Staaten im entscheidenden Augenblick den finanziellen Spielraum, um sich für gute wirtschaftliche Bedingungen für ihre Unternehmen einzusetzen.