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DIHK | Europa: groß im Großen statt im Detail verlieren

Im „Weißbuch zur Zukunft Europas“ stellt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Szenarien zur künftigen Zusammenarbeit in der Europäischen Union vor. Sie reichen von einer starken politischen Union, in der die Mitgliedstaaten in allen Bereichen eng zusammenarbeiten, bis zu einem Europa, das sich auf einen gemeinsamen Binnenmarkt beschränkt. Dazwischen liegen Szenarien einer EU der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, eines „Weitermachen wie bisher“ oder einer verstärkten Zusammenarbeit aller in manchen Bereichen.

Prioritäten: Binnenmarkt, europäische Netze, internationale Abkommen

Für die Wirtschaft ist es enorm wichtig, den Binnenmarkt zu erhalten. Das heißt jedoch nicht, dass die Europäische Union nur noch aus einer großen Freihandelszone bestehen sollte. Vielmehr sollte in den Bereichen, in denen nationale Lösungen nicht ausreichen, auch eine tiefergehende europäische Integration das Ziel sein. Ein wichtiger nächster Schritt wäre, dass der Binnenmarkt auch digital enger zusammenwächst. Hier liegen bislang Potenziale neuer Geschäftsmodelle und zusätzlichen Wachstums für die gesamte Europäische Union brach. Auch im Transportsektor und in den dafür notwendigen europäischen Verkehrsnetzen ist eine engere Zusammenarbeit von Vorteil. Beim Aushandeln von Freihandelsabkommen ist die EU ein deutlich schlagkräftigerer Partner als 28 einzelne Mitgliedstaaten.

Vorangehen: schon jetzt gelebte Praxis

Wo einheitliche Regeln nicht notwendig sind und zähe Verhandlungen die Wirtschaft bremsen, gehen einige Staaten schon jetzt voran. Bewährt hat sich das beim Thema Bürokratieabbau, beispielsweise beim E-Government, bei Gesetzesfolgenabschätzungen sowie bei Selbstverpflichtungen, europäische Regulierungen ohne Verschärfung national umzusetzen. Die Kommission hebt gute Beispiele, wie die Anwendung des KMU-Tests sowie den Stand der Digitalisierung in der Verwaltung hervor, und ermahnt Länder, die hinterherhinken. Insgesamt fördert die EU so den Wettstreit um gute Ideen und Konzepte, die die wirtschaftliche Entwicklung voranbringen.

Bewährte Lösungen nicht in Einheitskorsett zwängen

Auf manchen Feldern findet das Subsidiaritätsprinzip zu wenig Anwendung. Beispielsweise schafft die EU in der Außenwirtschaftsförderung seit mehreren Jahren Parallelstrukturen zum Erfolgsmodell der deutschen Auslandshandelskammern. Des Weiteren sollte der europäische Gesetzgeber davon absehen, das Insolvenzrecht weitreichend zu harmonisieren. Denn es hat eine Vielzahl von Wechselwirkungen mit anderen nationalen Rechtsgebieten und sollte deshalb auf nationaler Ebene geregelt werden. Ebenfalls sollte die EU bei der Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen den Mitgliedstaaten den Vortritt lassen. Die kürzeren Arbeitszeiten und die geringere Präsenz von Frauen in Führungspositionen in Deutschland ist vor allem eine Frage der immer noch Verbesserungswürdigen Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie individuellem Berufswahlverhalten. Entscheidend ist hier vor allem ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung.

Protektionismus entgegentreten

Die neuen globalen Unsicherheiten, die schwierige Sicherheitslage, der Brexit und nicht zuletzt protektionistische Aussagen des neuen US-Präsidenten – all das muss ein Weckruf für die Europäische Union sein. Die EU kann ihren Anforderungen nicht gerecht werden, wenn sie am Status quo festhält. Vielmehr muss die EU dort handlungsfähiger werden, wo sie echten Mehrwert schaffen kann.

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