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Wirtschaft & Finanzen

DIHK: Europa – „mehr“ ist nicht automatisch „besser“

Die europäischen Regierungschefs rücken jetzt die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion in den Mittelpunkt. Inzwischen liegen verschiedene Vorschläge zur Bankenunion und einer stärker koordinierten Haushaltspolitik auf dem Tisch, die den Weg zu einer vertieften europäischen Integration auf diesen wichtigen Feldern bereiten könnten.

Mit mehr Integration gegen die Krise?
Zusätzlich beflügelt vom Friedensnobelpreis, will die EU nun das europäische Haus ausbauen. Europa denkt über eine Banken- und Fiskalunion nach – auch eine politische Union wird diskutiert. Doch die Situation für ein „Mehr an Europa“ ist schwierig. Europa hat sich in den letzten Jahren ökonomisch auseinanderentwickelt. Auch werden zunehmend Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten deutlich. Die Euroskepsis hat zugenommen. Die Abgabe weiterer Souveränitätsrechte wird kritisch gesehen – wie die fehlenden Unterschriften von Großbritannien und Tschechien unter dem Fiskalpakt zeigen.

Bankenunion kein Rettungsanker, aber zukünftiger Stabilitätsfaktor
Konkrete Pläne für einen stärker integrierten Finanzmarktrahmen der „Bankenunion“ liegen vor – mit einer zentralisierten Bankenaufsicht bei der EZB, einheitlichen Einlagensicherungsstandards sowie Restrukturierungsmechanismen und nationalen Abwicklungsfonds. Damit sollen die Finanzmärkte stabiler werden. Doch die Hürden sind erheblich: Bei entscheidenden Dossiers wie Basel III und der Einlagensicherung stehen wichtige Entscheidungen noch aus. Der Rat hat den ursprünglich geplanten „Ruckzuck-Umbau“ der europäischen Bankenaufsicht, die bereits ab 2013 startklar sein sollte, stärker an die Realität angepasst. Ohne die Klärung der wesentlichen Fragen zur Sicherung der Unabhängigkeit der EZB und der Einbindung von Nicht-Euroländern ist auch der neue Fahrplan kaum einzuhalten.

Der Ruf nach mehr Gemeinschaft – auch bei den Schulden?
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) steht mit 500 Mrd. Euro zur Krisenbekämpfung bereit. Doch voreilige Rufe nach einer stärkeren fiskalischen Integration gehen weiter. Bis zum Jahresende sollen nach dem Van-Rompuy-Bericht Optionen einer gemeinsamen Schuldenaufnahme ebenso wie neue Instrumente zur Bewältigung von Schocks diskutiert werden. Zweifelt Europa bereits jetzt an seiner eigenen Durchsetzungskraft?

Wirtschaftlich kämpft Europa sich langsam aus dem tiefen Tal

Die Reformanstrengungen in den Krisenländern zeigen allmählich Wirkung: Die Exporte steigen. Die Leistungsbilanz- wie Haushaltsdefizite schmelzen zusammen. Die Beschäftigung stabilisiert sich zunehmend. Reformbemühungen und Sparanstrengungen lohnen sich, wenn man die nötige Beharrlichkeit und Geduld aufbringt. Wenig hilfreich ist es dagegen, ständig neue Kriseninstrumente zu diskutieren.

Keine Blaupause zur Lösung der Krise – aber Leitlinien
Zur Bewältigung der Krise gilt es aus Sicht des DIHK vor allem folgende Leitlinien zu beachten:
•    Politik ohne Schulden: Die Mitgliedsländer sind wirtschaftspolitisch   handlungsfähig, wenn sie ihre Haushalte nachhaltig sanieren.
•    Finanzmärkte stabilisieren: Die Auswirkungen der Regulierungen auf die Unternehmensfinanzierung sind dabei zu beachten.
•    Wettbewerbsfähigkeit erhöhen: Verlässliche Rahmenbedingungen und Strukturreformen erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit und führen zu mehr Wachstum und mehr Beschäftigten.
•    Unabhängigkeit der EZB wahren: Der ESM nimmt den politischen Druck von der EZB. Die Länder müssen ihrerseits mit einer Politik ohne Schulden und Strukturreformen zur Stabilität des Euros beitragen.
•    Keine Vergemeinschaftung von Schulden: Handlung und Haftung gehören zusammen, insbesondere bei der staatlichen Schuldenaufnahme.

Ansprechpartnerin: Alexandra Böhne, DIHK Brüssel, Telefon: +32 2 2861638