DIHK | Nach dem Brexit-Beben
Großbritannien verlässt die EU – so haben es die Briten in ihrer von aller Welt mit Besorgnis beobachteten Abstimmung entschieden. Für die deutsche Wirtschaft ist die Entscheidung der Briten ein Schlag ins Kontor. Bei einem ihrer wichtigsten Handelspartner müssen sich die deutschen Unternehmen auf erhebliche Veränderungen einstellen. Das gilt insbesondere auch für die zahlreichen deutschen Unternehmen, die in Großbritannien für Europa und die Weltmärkte produzieren.
Kurzfristig ist zu befürchten, dass der Absatz deutscher Produkte in Großbritannien schwächer wird. Sicherlich werden wir in den nächsten Wochen mit einer weiteren Abwertung des Pfunds zu rechnen haben. Aber auch strukturell wird der deutsch-britische Handel schwieriger. Großbritannien muss Handelsverträge weltweit, aber auch mit der EU komplett neu aufsetzen.
In der Brexit-Diskussion wird häufig die Analogie zur Ehescheidung gezogen: Wer die Scheidung will, muss auch die vollen Konsequenzen tragen. Allerdings: Nach einer Scheidung können die Ex-Partner dauerhaft getrennte Wege gehen. Das ist im Fall Großbritannien anders. Es wird nicht von der Landkarte verschwinden, es ist und bleibt Teil Europas. Und die deutsche Wirtschaft hat ein hohes Interesse an guten wirtschaftlichen Beziehungen zu Großbritannien.
Es muss also vernünftige Lösungen für die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien geben. Die EU-Verträge sehen einen Zeitraum von zwei Jahren vor, um die künftigen Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zu regeln. In dieser Phase der Unsicherheit ist eine Investitionszurückhaltung von beiden Seiten zu erwarten. Gut wäre, diese Phase nicht zu lang werden zu lassen: Die deutschen Unternehmen müssen so schnell wie möglich wissen, wo es langgeht.
Wichtig ist im Übrigen aber auch, dass die EU jetzt den Zusammenhalt der restlichen Mitgliedstaaten sichert. Es gilt, möglichen weiteren Auflösungstendenzen entgegen zu wirken, wie sie Beobachter schon länger formulieren. Denn EU-Kritiker gibt es schließlich nicht nur in Großbritannien.
Dr. Günter Lambertz, Leiter der Vertretung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages bei der EU und Vorstandsmitglied der EBD