DIHK | Unternehmen in EU brauchen Fachkräfte
Unternehmen in Europa fällt es zunehmend schwer, geeignete Fachkräfte zu finden. Zugleich sind in der EU fast 22 Millionen Menschen ohne Job. Kein Widerspruch, denn vielen fehlt die erforderliche Vor- beziehungsweise Ausbildung. Die EU-Kommission hat auf diese Herausforderung reagiert und eine „Agenda für neue Kompetenzen“ präsentiert. Darin empfiehlt sie den Mitgliedstaaten die Einführung einer „Europäischen Kompetenzgarantie“. Aus Sicht des DIHK ist eine solche Garantie aber nicht praktikabel.
Geringqualifizierte, die älter als 25 sind, sollen ein Mindestniveau an Lese-, Schreib- und Rechenfertigkeiten sowie digitalen Kompetenzen erreichen – das will der Kommissionsvorschlag durch Selbstbindung der Mitgliedstaaten erreichen. Diese sogenannte Kompetenzgarantie soll für Personen gelten, die weder einen Schulabschluss der Sekundarstufe II noch eine Berufsausbildung haben. Nach Feststellung des individuellen Kompetenzniveaus soll ihnen der Zugang zu möglichst maßgeschneiderten Weiterbildungspfaden, angepasst an den Bedarf des regionalen Arbeitsmarktes, geboten werden. Die Mitgliedstaaten sollen innerhalb eines Jahres einen Aktionsplan für die nationale Umsetzung der „Kompetenzgarantie“ vorlegen. Neue Finanzmittel im EU-Haushalt sind dafür nicht vorgesehen.
Als Ziel der Weiterbildungsmaßnahmen nennt die EU-Kommission ein Mindestqualifikationsniveau auf Stufe vier des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR). Eine solche Festlegung für alle EU-Länder ist allerdings zu rigide und dürfte in der Praxis kaum zu erreichen sein. Deutschland etwa hat auf dieser Stufe vier das Abitur und den Abschluss dreijähriger dualer Ausbildungsberufe vorgesehen. Dass man auch mit Qualifikationen unterhalb der EQR-Stufe vier gut auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen kann, zeigen im Übrigen die zweijährigen Ausbildungsberufe wie der für produzierende Unternehmen wichtige Maschinen- und Anlagenführer, der im EQR auf Stufe drei angesiedelt ist. Der Begriff „Garantie“ weckt bei den Betroffenen zudem falsche Erwartungen und fördert nicht die notwendige Eigeninitiative. Politik kann immer nur Angebote machen, eine „Kompetenzgarantie“ hingegen ist unmöglich und schadet so am Ende auch der Glaubwürdigkeit der Politik.
Die Vermittlung der notwendigen beschäftigungsrelevanten Qualifikationen muss aus DIHK-Sicht flexibel und nach den nationalen Gegebenheiten und Erfordernissen ausgestaltet werden. Grundkompetenzen in Schreiben, Lesen und Mathematik sind europaweit unverzichtbare Voraussetzungen für die Aufnahme einer Berufsausbildung. Hier sind die Schulen gefordert. Ebenso sollten zudem Unternehmergeist und „digital skills“ gefördert werden. Die guten Beschäftigungsaussichten für Absolventen einer beruflichen Aus- und Weiterbildung besser bekannt machen und dadurch die Attraktivität des beruflichen Bildungsweges insbesondere in EU-Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit steigern – das sollte ebenfalls ein Schlüsselelement für eine europäische „Skills Agenda“ sein. Deutschland hat mit der zwischen Bundesregierung, Wirtschaft, Gewerkschaften und Bundesländern vereinbarten „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ bereits einen guten Ansatz gewählt, der auch für andere EU-Länder Anregungen geben kann.