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djb | Bündnis »Nein heißt Nein« fordert Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht

Am kommenden Donnerstag, 28. April 2016, beginnt im Bundestag die Debatte um eine Neufassung des Sexualstrafrechts, d.h. der §§ 177 und 179 StGB. Ein Bündnis aus Frauen- und Menschenrechtsorganisationen, gegründet auf Initiative des Deutschen Frauenrats, sowie zahlreiche Unterstützer_innen wenden sich aus diesem Anlass in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel und die Bundestagsabgeordneten. Darin fordern sie eine grundlegende Überarbeitung des vorliegenden Regierungsentwurfs.

Die zentralen Argumente: Der Gesetzentwurf schließt zwar einige Schutzlücken, doch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird weiterhin nicht per se anerkannt. So bleiben Übergriffe straffrei, wenn eine Person ihr klares »Nein« bekundet, sich der Täter jedoch darüber ohne weiteres hinwegsetzt. Maßgeblich für die Be- und Verurteilung bleibt also das Verhalten der geschädigten Person und nicht des Täters.

Damit bleibt der Entwurf der Prämisse verhaftet, dass grundsätzlich das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung durch die Trägerin oder den Träger des Rechtsguts selbst – aktiv – geschützt werden muss. Er geht weiterhin davon aus, dass Geschädigte sich im »Normalfall« zur Wehr setzen und Täter im »Normalfall« davon ausgehen dürfen, dass bei fehlendem Widerstand ein Einverständnis des Gegenübers mit sexuellen Handlungen vorliegt. Nach wie vor wird also gerade nicht jede nicht-einverständliche sexuelle Handlung unter Strafe gestellt, wie in dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) vereinbart, das Deutschland unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert hat.

Der djb fordert seit Jahren mit ausführlichen Stellungnahmen und Regelungsvorschlägen einen Paradigmenwechsel im Sexualstrafrecht hin zum lückenlosen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung, d.h. die zeitgemäße und menschenrechtskonforme Weiterentwicklung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung und somit die Beseitigung aller Schutzlücken – nicht nur einiger weniger, wie es der gegenwärtige Gesetzentwurf vorsieht. Ramona Pisal, djb-Präsidentin: » Nein heißt nein – diesen gesellschaftlichen Konsens muss unser Strafrecht abbilden. Die Zeit ist reif für eine umfassende Neukonzeption des gesamten 13. Abschnittes des StGB. Mit weniger wollen wir uns nicht länger zufriedengeben.«

Die Europäische Bewegung Deutschland fordert, dass sich die Bundesregierung gleichstellungspolitisch ambitioniert zeigt und gleichstellungspolitische Vorhaben der EU unterstützt. Mehr Informationen zu diesem Thema unter #Gender und unter Gleichstellungspolitik. In den Politischen Forderungen 2015/2016 finden Sie weitere Positionen der Europäischen Bewegung Deutschland.

Hintergrundinformationen zur aktuellen „Nein heisst Nein“ – Kampagne:

Offener Brief an Bundeskanzlerin Merkel und die Mitglieder des Deutschen Bundestags: Eine große Koalition für eine große Reform des Sexualstrafrechts vom 26.4.2016

Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (Stand 16.3.2016)

djb fordert Strafbarkeit der tätlichen sexuellen Belästigung und Paradigmenwechsel in der Reform des Sexualstrafrechts, Pressemitteilung vom 18.2.2016

Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, Council of Europe Treaty Series No 210