dlv über Gendergerechtigkeit im ländlichen Raum und im Agrarsektor
EU-Parlament gibt die Richtung vor – Deutschland tut sich schwer.
„39 Forderungen an Rat und Kommission der EU beziffert die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Rolle der Frauen in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum vom 5. April 2011. Der Handlungsbedarf wird damit mehr als deutlich“, stellt Brigitte Scherb, Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes e. V. (dlv) mit Nachdruck fest. „Parlamentsbericht¬erstatterin Elisabeth Jeggle, MdEP, die den Bericht vorgelegt hat, ist als überzeugte LandFrau bestens mit der Situation der Frauen im ländlichen Raum vertraut.“
Mit Blick auf die in der vergangenen Woche geführte Debatte im Bundestag über einen Antrag der Fraktion DIE LINKE zu einer geschlechtergerechten Agrarförderung werde aber deutlich, dass hierzulande noch viel zu tun ist. Es sei kaum zu glauben, wie viel Unkenntnis es immer noch über die Lebenswirklichkeit von Frauen auf dem Lande gibt. Das betrifft auch das Verständnis von Gleichstellungspolitik und Frauenförderung im ländlichen Raum. „Förderprogramme, die beispielsweise auf mehr Erwerbsbeteiligung von Frauen oder auf eine alltagsbezogene Infrastruktur wie Kinderbetreuungseinrichtungen zielen, sind wichtig und nach wie vor unverzichtbar, greifen aber zu kurz“, erklärt die Präsidentin und verweist auf den grundlegenden Handlungsbedarf: Das seien insbesondere die überwiegend männlich geprägten politischen, institutionellen und wirtschaftlichen Strukturen des ländlichen Raums und des Agrarsektors. Bei vielen Entscheidungsprozessen spiele die weibliche Sichtweise leider nur eine untergeordnete Rolle. Man müsse sich deshalb nicht wundern, dass manche Entscheidung nicht nur bei Frauen auf Unverständnis stößt und an den Lebensrealitäten vorbei geht. Erschwerend seien zudem tradierte Rollenbilder: Sie verweisen die Frauen oft in die zweite Reihe – in die Zuverdienerrolle und in schlecht bezahlte Frauen-typische Berufe – alles bei gleichzeitig höherer Belastung mit Familien- und Sorgearbeit.
In vielen landwirtschaftlichen Betrieben seien dagegen die Bäuerinnen längst nicht mehr nur mithelfende Angehörige, sondern tragen die wachsenden Aufgaben einer multifunktionalen Landwirtschaft partnerschaftlich mit.
„Als politische Interessenvertretung von Frauen stellt sich der dlv dem Thema Gender-gerechtigkeit, in dem wir Frauen ermutigen und fördern, sich mit Kompetenz, aber auch mit Herz und Weitblick einzumischen und ihre meist hervorragenden Qualifikationen beruflich einzusetzen. Von Politik und Regierung erwarten wir die konsequente Ausrichtung auf Gendergerechtigkeit und zwar in allen Politikfeldern. Das betrifft selbstverständlich auch die Neujustierung der europäischen, nationalen und regionalen Förderstrategien für ländliche Gebiete. LandFrauen sind bundesweit in der Fläche präsent und gut vernetzt. Sie sind damit ideale Partner für den gesellschaftlichen Diskurs, wie wir alle in Landwirtschaft und ländlichen Räumen von Gendergerechtigkeit profitieren können“, so die Aufforderung der dlv-Präsidentin.