DSGV: Griechenland – Nicht flüchten, sondern standhalten
Am 20. Februar 2012 wurde mit der grundsätzlichen Einigung über ein zweites Hilfsprogramm für Griechenland (130 Mrd. Euro) und über die Beteiligung der privaten Gläubiger bezüglich eines Forderungsverzichtes in einer Größenordnung von reichlich 100 Mrd. Euro ein Staatsbankrott Griechenlands vorerst verhindert.
Es wäre aber verfrüht, nun ein Ende der griechischen Krise auszurufen. Zunächst müssen die harten Sparmaßnahmen der griechischen Regierung wie geplant umgesetzt werden. Die sich verschärfende Rezession erschwert dies erheblich. Die griechische Wirtschaft hat zwischen Sommer 2008 und Ende 2011 bereits fast ein Fünftel ihrer Leistung eingebüßt. Der Protest in der Bevölkerung verstärkt sich. Die bisherigen Fortschritte bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit reichen bei weitem nicht aus. Das zuvor sehr hohe Leistungsbilanzdefizit – im Jahr 2008 fast15% gemessen am Bruttoinlandsprodukt – ist bislang vor allem im Zuge rezessionsbedingt abnehmender Importe geschrumpft. Allerdings konnten auch die Exporte inzwischen gesteigert werden und erreichten 2011 mit 20,2 Mrd. Euro einen neuen Höchstwert. In der Summe verringerte sich das Handelsbilanzdefizit von gut 44 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf 27,2 Mrd. Euro im vergangenen Jahr, die Leistungsbilanz bleibt mit gut 21 Mrd. Euro jedoch stark defizitär. Dies unterstreicht, dass bei den strukturellen Reformbemühungen nicht nachgelassen werden darf. Fraglich ist zudem, ob sich eine neue Regierung nach den für April vorgesehenen Parlamentswahlen an die Zusicherungen der wichtigsten Parteiführer gebunden fühlt, oder ob sie sich ganz oder teilweise von den Auflagen des Hilfsprogramms lossagt . Im Übrigen beruhen die Rechnungen zur Schuldentragfähigkeit, die für 2020 eine Staatsschuldenquote
von 120,5% gemessen am Bruttoinlandsprodukt in Aussicht stellen, auf aus heutiger Sicht optimistischen Annahmen.
Politische Entscheidungen bestimmen den Ausgang
Der auf Griechenland lastende Anpassungsdruck ist immens. Gleichzeitig rütteln die unumgänglichen Stützungsmaßnahmen an den Grundfesten der Währungsordnung. Für alle Beteiligten sind Schmerzgrenzen erreicht, an denen auch das früher undenkbare Szenario eines griechischen Austritts in Erwägung gezogen wird. Ob es dazu kommt, wird letztlich politisch entschieden werden müssen. Wir gehen allerdings davon aus, dass ein Austritt schwere Störungen der zivilen Ordnung in Griechenland nach sich ziehen würde. Dies würde die Europäische Union nicht unberührt lassen.
Optionen
Die Regierungen der Euro-Partner, die EU-Kommission und die EZB sind der Auffassung, ein Staatsbankrott Griechenlands oder gar ein Austritt aus der Währungsunion sei mit noch größeren Kosten und Risiken für die Gemeinschaft verbunden als die sehr aufwändigen Rettungsaktionen. Diese Auffassung teilen die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe. Nicht zu unterschätzen wären die Auswirkungen auf das europäische Bankensystem und die Ansteckungsgefahr für Länder wie Portugal, Spanien und Italien. Die gegenwärtige griechische Regierung und die Mehrheit im dortigen Parlament haben versichert, die harten Auflagen der Troika als kleineres Übel befolgen
zu wollen. Im Falle eines Sinneswandels würde sich der (geordnete) Staatsbankrott nicht mehr abwenden lassen. Dieser Sinneswandel wird umso wahrscheinlicher, je länger und tiefer sich der freie Fall der griechischen Wirtschaft fortsetzt. Deshalb sind konsequente Strukturreformen zur Verbesserung der Angebotsbedingungen in Griechenland so dringlich.
Kann Griechenland es schaffen?
Der Mangel an preislicher Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands ist oft beklagt worden. Je nach Berechnung wird die erforderliche interne Abwertung der Preise und Löhne auf 30% bis 50% taxiert. Diese Sichtweise ist jedoch zu statisch. Zunächst geht es für die internationale Wettbewerbsfähigkeit nur um die Preise der handelbaren Güter. Weiterhin kann ein Produktivitätsschub den Bedarf an Lohnsenkung erheblich verringern. Neue Produkte müssten entwickelt, neue Produktionsverfahren eingesetzt und neue Märkte erschlossen werden. Dafür braucht es nicht nur Zeit sondern vor allem ausländisches Kapital und Know-how, das nur bei attraktiven, verlässlichen Investitionsbedingungen ins Land kommen wird. Neben einer Qualifizierungsoffensive für Arbeitnehmer gehört dazu eine schlanke, effiziente Verwaltung – frei von Korruption. Irland und einige Volkswirtschaften in Asien haben vorexerziert, welche Erfolge eine solche Strategie zeitigen kann, und Griechenland verfügt über gute geographische Voraussetzungen, um an der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung stärker zu partizipieren als bislang. Die gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen für einen solchen Wandel können jedoch nur aus eigener Anstrengung geschaffen werden. Die europäischen Partner können lediglich dazu beitragen, den Verbleib Griechenlands in der Währungsunion durch Transfers befristet abzusichern. Diese Zugehörigkeit ist für Griechenland ein entscheidender Stabilitätsanker. Die Beträge zur Stabilisierung der griechischen Wirtschaft sind gemessen am Bruttoinlandsprodukt des Euro-Raumes gering. Sie liefern zwar keine Garantie, aber eine Chance, ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Währungsverbund abwenden zu können.
Beteiligung der Notenbanken
Begrüßenswert ist, dass es im Zuge des zweiten Hilfsprogramms für Griechenland nicht zu einer direkten Beteiligung des Eurosystems gekommen ist. Die EZB hat viel zur Entspannung der Staatsschuldenkrise beigetragen und ihren gesetzlichen Auftrag dabei weit gedehnt. Ihre unmittelbare Beteiligung am Forderungsverzicht bei griechischen Staatsanleihen kam als direkte Staatsfinanzierung nicht infrage. Nach der nun vereinbarten Lösung werden bei ihr anfallende Kursgewinne über die Nationalbanken als Anteilseigner der EZB an die Regierungen der Euro-Länder ausgeschüttet und von dort Griechenland zugute kommen. Diese Lösung ist sachgerecht