EAB | Die EAB unterstüzt die europaweite Beteiligung der Bürger an der Rechtsprechung
Obgleich die Beteiligung der Bürger an der Rechtsprechung ein tragendes Element der partizipativen Demokratie ist, diskutieren mehrere Länder die Abschaffung dieser Einrichtung.
Im August 2012 wurde das „Europäische Netzwerk von Organisationen ehrenamtlicher Richter“ (European Network of Associations of Lay Judges, oder ENALJ) gegründet. Diese Organisation ist das Spinn-off eines Projekts, das das EBD-Mitglied Europäische Akademie Berlin seit über drei Jahren, co-finanziert aus dem EU-Programm „Civil Justice“, koordiniert.
Gemeinsam mit dem Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter moderierte die Europäische Akademie Berlin (EAB) den Austausch von rund 20 Organisationen ehrenamtlicher Richter aus ganz Europa. Auf drei Konferenzen in Berlin, London und Brüssel diskutierten ehrenamtliche Richter über Bedeutung, Struktur und gemeinsame Herausforderungen der Bürgerbeteiligung an der Rechtsprechung in Europa.
Am 11. Mai 2012 unterzeichneten dann Vertreter von 17 Organisationen aus 14 europäischen Staaten in Brüssel die „Europäische Charta der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter und Schiedspersonen“. Gleichzeitig riefen sie den 11. Mai zum „Europäischen Tag des ehrenamtlichen Richters“ aus.
Die europäischen Staaten haben unterschiedliche Systeme der Beteiligung von ehrenamtlichen Richtern. Dazu gehören alle Personen, die an rechtsprechenden oder streitschlichtendenden Entscheidungen mitwirken und:
- nicht an einer Laufbahn innerhalb der Justiz teilnehmen,
- nicht besoldet werden, aber eine Aufwandsentschädigung erhalten können,
- auf Zeit in das Amt gewählt oder berufen werden.
In der europäischen Charta wird die Bedeutung dieses Ehrenamtes herausgestellt:
„Das Recht auf Beteiligung des Volkes an der Rechtsprechung ist ein Akt staatsbürgerlicher Emanzipation und ein tragender Grundsatz jeder demokratischen Gesellschaft. Die Mitwirkung trägt zur Erhöhung von Plausibilität und Verständlichkeit der Verfahren und Urteile bei und erhöht damit das Vertrauen in die Justiz. Ehrenamtliche Richter bringen wertvolle Lebenserfahrungen und ein natürliches Verständnis von Gerechtigkeit ein. Sie leisten damit einen Beitrag zur Verbesserung der Effizienz der Justiz und der Erhöhung der Akzeptanz der Entscheidungen.“
Weiter einigten sich die Organisationen in der Charta auf Mindeststandards bei der Beteiligung ehrenamtlicher und Laienrichter an der Rechtsprechung. Dazu gehören sowohl die gleichberechtigte Teilnahme in den Verhandlungen mit den Berufsrichtern als auch das Verbot von Diskriminierung und Benachteiligung im Beruf.
Mehr noch als bei der Beteiligung in der Volksgesetzgebung oder bei Referenden übernehmen Bürger als ehrenamtliche Richter in fast allen Bereichen der Rechtspflege Verantwortung für das Schicksal von Menschen, mit ihrer Entscheidung greifen sie tief in deren Leben ein. Die Charta legt deshalb Qualitätskriterien an bei der Auswahl von ehrenamtlichen Richtern und bei der Vorbereitung und Fortbildung während der Amtsausübung.
Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Kommissarin für Justiz, Viviane Reding, würdigte die Unterzeichnung der Charta als „großen Moment der Emanzipation der Zivilgesellschaft“. Sie hob die Bedeutung des Amtes für eine demokratische und bürgernahe Justiz hervor und sicherte die Unterstützung der Kommission bei der weiteren Zusammenarbeit der Verbände zu. In Europa würden ehrenamtliche Richter und Streitschlichter (Schiedspersonen) auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.
Obgleich die Beteiligung der Bürger an der Rechtsprechung ein tragendes Element der partizipativen Demokratie ist, diskutieren mehrere Länder die Abschaffung dieser Einrichtung. Sie versprechen sich davon beschleunigte Verfahren und damit eine Zeit- und Geldersparnis. Um diesem partizipationsfeindlichen Sparzwang entgegenzutreten, unterstützt die Europäische Akademie Berlin das neu gegründete Netzwerk.