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EBD Briefing | Kleines Land – große Aufgabe: Maltas Agenda für eine starke EU

Das könnte auch das Motto der maltesischen EU-Ratspräsidentschaft sein. Denn Malta hat es sich zum Ziel gesetzt, die Mitgliedstaaten wieder näher zusammenzubringen und das Vertrauen in die europäische Idee zu stärken. Warum Malta für diese Aufgabe besonders geeignet ist und welche Prioritäten sich der Inselstaat für die kommenden sechs Monate gesetzt hat, haben rund 130 Teilnehmer beim EBD Briefing zur maltesischen EU-Ratspräsidentschaft aus erster Hand von Botschafter Dr. Albert Friggieri erfahren:

In seinem Vortrag zu den Prioritäten der Ratspräsidentschaft, das die EBD erstmals live streamte, betonte der Botschafter, dass die Bevölkerung Maltas heute aus überzeugten EU-Bürgern besteht, was nicht von Anfang an selbstverständlich war. Angesichts der Vergangenheit als britische Kolonie waren die Malteser zunächst skeptisch, sich auf eine Mitgliedschaft im Staatenbund EU einzulassen. Zu groß waren die Bedenken, dass die noch junge Wirtschaft zu schwach sei oder dass die Arbeitsplätze auf der kleinen Insel durch Zuwanderer aus anderen EU-Staaten gefährdet würden. Auch Brüssel schien nicht ganz überzeugt. Doch nach 14 Jahren Beitrittsverhandlungen wurde Malta 2004 EU-Mitglied, 2008 wurde auch der Euro eingeführt. Inzwischen ist die Zustimmung zur EU bei den Maltesen mit ca. 80% sehr hoch. Mit der Euro-Einführung hat sich die Wirtschaft stabilisiert, das Wachstum ist hoch und die Arbeitslosigkeit im EU-weiten Vergleich gering.

Zu den Prioritäten der maltesischen Ratspräsidentschaft zählt die Migrationspolitik. Malta werde sich für eine Stärkung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems einsetzen und die Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten gerechter aufteilen, kündigte Friggieri an. Daher ist eine Revision der Dublin-Verordnung angestrebt und einzelne Initiativen der Länder sollen besser koordiniert werden. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) soll zu einer vollwertigen EU-Agentur umgestaltet werden und mehr Aufgaben bekommen. Auch weitere Abkommen mit Drittländern, ähnlich wie das EU-Türkei-Abkommen, sollen geschlossen werden. In diesem Zusammenhang richtet sich die Nachbarschaftspolitik der maltesischen Ratspräsidentschaft auch hauptsächlich auf ein verstärktes Engagement der EU in Nordafrika. Beispielsweise sollen die Handelsbeziehungen mit Tunesien gestärkt werden – nicht nur wegen der wirtschaftlichen Vorteile für das Land und die EU, sondern vor allem auch um die dortige Demokratie zu stärken.

Auch die Sicherheit wird während der nächsten sechs Monate im Mittelpunkt stehen. Malta will die Bemühungen der vorherigen Ratspräsidentschaften fortsetzen und im Zuge der Sicherung der Außengrenzen ein EU-weites Ein- und Ausreisesystem einführen. Dazu sollen die Datenbanken der einzelnen Länder miteinander verknüpft werden. Die Hoffnung ist, dass es dazu bis Mitte des Jahres eine politische Einigung gibt. Für die Terrorismusbekämpfung betonte Friggieri die Bedeutung des Informationsaustauschs zwischen den nationalen Behörden, besonders den Sicherheitsbehörden. Zudem müsse Eurojust gestärkt werden und ein Konsens zur Schaffung einer europäischen Staatsanwaltschaft herbeigeführt werden.

Weitere Schwerpunkte bilden die Chancengleichheit von Mann und Frau, insbesondere von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, sowie die soziale Teilhabe von Minderheiten. Ebenso stehen Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz auf der Agenda. Auf Grund seiner geografischen Lage spielt für die Malteser auch das Thema Nachhaltigkeit und Wirtschaft im Bereich der Meere eine große Rolle.

In puncto Binnenmarkt ist die Vollendung des digitalen Binnenmarkts Priorität, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Dazu gehören die Abschaffung von Roaming-Gebühren, kostenlose WLAN-Hotspots auch in entlegeneren Gebieten sowie die Abschaffung des Geoblocking. Auch die Energieunion will Malta vorantreiben, hier sollen die Infrastrukturen der Mitgliedstaaten vernetzt und die Energieeffizienz gestärkt werden. Hinsichtlich des Binnenmarkts spricht sich Malta auch für eine Verlängerung des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) sowie für das Instrument der Risikofinanzierung aus, um kleine und mittlere Unternehmen zu fördern.

Aus den Reihen der anwesenden Vertreter von Bundesregierung, EU-Kommission und EBD-Vorstand kam viel Zustimmung für die Agenda der maltesischen Regierung:

Mit Blick auf die Migrationspolitik betonte der Vertreter der EU-Kommission, dass jetzt die Kooperation zwischen den Institutionen besonders wichtig sei. So gäbe es schon eine Liste gemeinsamer Prioritäten, um die dringendsten Aufgaben durch das Gesetzgebungsverfahren zu bringen. Zu den strittigeren Punkten gehöre dabei das Dublin-System und die Frage, wie die EU mit einer großen Anzahl von Flüchtlingen umgeht, wenn diese an den Außengrenzen der Union ankommen. Positiv wurde von Kommissionsseite das Türkei-Abkommen bewertet, da es die Zahl der Neuankommenden stark habe sinken lassen. Auch die Unterstützung für Afrika durch Migrationspartnerschaften oder den Afrika-Fonds trage ihren Teil bei. Tunesien werde als Hoffnungsland gesehen, mit dem die Kooperation intensiviert werden solle. Darüber hinaus sei geplant, dass sich die EU aktiver in die Konflikte weltweit einbringt, so wie es in Syrien schon begonnen worden sei.

Auch die Bundesregierung sieht den Bestrebungen in Bezug auf die Sicherheit positiv entgegen. Hier könnten viele Projekte wie das Einreisesystem effektiv und schnell umgesetzt werden. Problematischer sehe es aufgrund der unterschiedlichen Auffassungen in den Mitgliedstaaten beim Thema Migration und Asyl aus. Die Bundesregierung zeigte sich dennoch optimistisch, eine Lösung zu finden, da sie in den Vorschlägen der Kommission eine gute Verhandlungsbasis sehe. Gerade im Hinblick auf den geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU müsse die EU nach vorne schauen und zeigen, dass sie das beste Format angesichts der Herausforderungen der Globalisierung sei. Deutschland werde die maltesische EU-Ratspräsidentschaft aktiv unterstützen.

EBD-Vizepräsident Axel Schäfer hielt ebenfalls ein Plädoyer für einen aktiven pro-europäischen Kurs. Nach der Brexit-Entscheidung könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es gehe zum ersten Mal nicht um die Frage, ob die EU verändert werden solle, sondern darum, sie ganz zu verlassen. Daher liege jetzt die Hauptaufgabe darin, die antieuropäischen Kräfte nicht zur Mehrheit werden zu lassen und den Zusammenhalt in Europa zu stärken. Die proeuropäischen Kräfte müssten lauter werden als bisher und die gemeinsamen Werte sowie die Vorteile der Wirtschaftsunion herausgestellt werden. Man dürfe nicht zulassen, dass die Staaten zunehmend in Nationalismus verfallen, denn dies könne, wie die Geschichte gezeigt hat, leicht zu Krieg führen. Bezugnehmend auf die EBD-Politik war Schäfers Bitte an die aktuelle EU-Ratspräsidentschaft daher, nachdrücklich für Europa einzutreten, um die europäischen Werte und Errungenschaften zu erhalten und nationale Reflexe zu verhindern. Aber auch Deutschland müsse zeigen, dass „wir in Europa in Vielfalt geeint sind anstatt in Einfalt geteilt“.

Bei der anschließenden Diskussion wurde das Stichwort Bankenunion aufgegriffen und die damit verbundenen Meinungsverschiedenheiten zwischen Rat und Kommission, besonders im Hinblick auf die Einlagensicherung. Von Kommissionsseite wurde herausgestellt, dass das Thema auch deshalb so schwierig sei, da die Positionen innerhalb des Rates sehr unterschiedlich sind. Generell sei die Kommission der Ansicht, dass die letzte Stufe der Bankenunion die Einlagensicherung ist. Dagegen gehe die Entwicklung im EU-Parlament eher in Richtung Rückversicherung. Hier bestehe folglich noch viel Gesprächsbedarf zwischen den Institutionen.

Bezüglich der Veröffentlichung des neuen Weißbuchs zu einer vertieften Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) konnte die Kommission schon einen konkreten Termin nennen: Es werde am 8. März kurz vor dem Gipfeltreffen in Rom vorgelegt und breiter als bisher angelegt sein. Neben der WWU beinhalte es auch die Themen Sicherheit und Migration.

Ein Thema, das vorher auf dem Podium nicht angesprochen wurde, jedoch das Publikum interessierte, war der Einigungsprozess in Zypern. Dazu äußerte sich die Kommission vorsichtig optimistisch. Nach den Genfer Gesprächen bestehe Hoffnung auf Einigung, allerdings müsse man bedenken, dass die sensibelsten Fragen erst am Schluss auf den Tisch kommen.

Das größte Publikumsinteresse bestand am Thema Brexit. Vor allem die Ankündigung der Britischen Regierungschefin, notfalls das britische Wirtschaftsmodell zu ändern, um auch außerhalb der EU konkurrenzfähig zu bleiben, wurde diskutiert. Die Bundesregierung betonte, dass man den angekündigten Steuerwettbewerb nicht überbewerten dürfe, denn Großbritannien sei jetzt in einer Position der Schwäche: Es kann zwar Unternehmen mit niedrigen Steuersätzen anlocken, der Export werde jedoch deutlich schwieriger. Von Kommissionsseite wurde hinzugefügt, dass diesbezüglich gerade Bewegung in die Debatte um eine gemeinsame Besteuerung und eine Finanztransaktionssteuer komme.

Eines der Ziele Maltas für die Ratspräsidentschaft besteht in der Verbesserung der Kommunikation mit den Bürgern. Mit dem EBD Briefing am 18.01.2017 wurde, so das Fazit der anwesenden Gäste, ein guter Anfang gemacht.

Neben dem maltesischen Botschafter S.E. Dr. Albert Friggieri saßen auf dem Podium: Richard Kühnel, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Dr. Peter Ptassek, Beauftragter für Grundsatzfragen, Gemeinschaftspolitiken, strategische Koordinierung in der Europaabteilung des Auswärtigen Amts, Klaus-Peter Leier, Referatsleiter Grundsatzfragen der Europapolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Axel Schäfer, MdB, Vizepräsident der Europäischen Bewegung Deutschland e.V. Moderiert wurde das Briefing von Bernd Hüttemann, Generalsekretär der Europäischen Bewegung Deutschland e.V.

Ein Video der Rede von Botschafter Friggieri steht hier zur Verfügung.