EBD-Präsident Wend fordert von neuer Koalition ein klares Bekenntnis zu mehr Europa
Auch wenn noch nicht feststeht, wer demnächst neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Regierungsbank Platz nehmen wird: Am Ende der Sondierungsgespräche müssen die Koalitionäre europapolitisch Farbe bekennen, fordert EBD-Präsident Dr. Rainer Wend. Für den Koalitionsvertrag seien eine neue Struktur für die europapolitische Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland, eine „European Public Diplomacy“ und eine stärkere Beteiligung der Zivilgesellschaft im Vorfeld eines Europäischen Konventes notwendig.
Wends „Europapolitischer Einwurf“ im Volltext:
Europa atmet auf: Deutschland hat gewählt. Jetzt braucht die EU dringend ein Signal, dass substanzielle Antworten auf die drängenden Fragen der Eurozone – nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, verlässliche Finanzen – in Arbeit sind. Ganz egal, in welcher Konstellation am Ende die Regierungsbank besetzt wird: Die neuen Koalitionäre um Bundeskanzlerin Angela Merkel sollten bereits in ihrem Regierungsprogramm europapolitisch Farbe bekennen und neue Wege in der Vermittlung europäischer Politik festschreiben.
Den Weg frei machen für mehr Europa
Um eine Aufgabe wird die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren definitiv nicht herumkommen: gemeinsam mit den europäischen Partnern die vertraglichen Grundlagen für eine vertiefte Europäische Union auszuhandeln. Für diesen „europäischen New Deal“ führt kein Weg an einem Konvent aus Regierungs- und Parlamentsvertretern der EU-Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane Kommission und EP vorbei. Die EBD fordert die Parteien deshalb auf, bereits jetzt die Weichen zu stellen, damit eine breite Öffentlichkeit mitreden und das Ergebnis des Konventes legitimieren kann. Bei den zurückliegenden Vertragsverhandlungen wurde leider weniger Wert darauf gelegt, „das Volk“ auf diese Weise vorab an der Debatte zu beteiligen, was sich in den Referenden bitter rächte.
Ein Konvent kann nur gelingen, wenn die zukünftige Bundesregierung auch national einige europapolitische „Hausaufgaben“ – ein in der Stabilisierungsdebatte gerade von den Deutschen vielstrapaziertes Wort! – erledigt. Deutschlands Europapolitik braucht dringend eine neue Kommunikationskultur! Die fängt bei einer ministeriumsübergreifenden Strategie für europapolitische Öffentlichkeitsarbeit an und hört bei regelmäßigen Absprachen zwischen Bundesregierung, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft noch längst nicht auf. Es kann doch nicht sein, dass über die Pflegereform in jedem U-Bahnhof öffentlich aufgeklärt wird und man gleichzeitig die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion den Feuilletonisten überlässt! Dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn „die EU“ landauf, landab als weit entferntes Abstraktum wahrgenommen wird.
Europa endlich richtig kommunizieren!
Die Europäische Bewegung Deutschland fordert daher, die europapolitische Öffentlichkeitsarbeit neu zu strukturieren. Um mehr Aufmerksamkeit auf europäische Themen zu lenken, aber auch um mögliche Brückenbauer zwischen „der EU“ und „dem Bürger“ besser einzubeziehen, könnte zum Beispiel eine Rahmenvereinbarung für den Dialog mit den wichtigsten gesellschaftlichen Multiplikatoren in Sachen Europa helfen. Gleiches gilt für die Kommunikation Deutschlands in die anderen EU-Mitgliedstaaten: Von London bis Athen braucht es eine stärkere Koordinierung der dort aktiven zivilgesellschaftlichen Verbände, der Botschaften, der Auslandshandelskammern, der Goethe-Institute und der politischen Stiftungsbüros: eine „European Public Diplomacy“.
Ich persönlich wünsche mir für den Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zu mehr Europa. Dieses Ziel – und auch ein Plan zur Umsetzung! – muss sich mehr noch als in den Wahlprogrammen im Regierungsprogramm wiederfinden. Wenn Europa nicht in der weltpolitischen Bedeutungslosigkeit versinken will, brauchen wir eine neu verhandelte, eine klug gestaltete Union, die alle mittragen. Eine Union, die diesen Namen auch verdient.