EBD Telegramm – Die Schlaglichter der Woche | KW 6
Das EBD Telegramm stellt immer zum Wochenende schlaglichtartig die Europa-Themen der vergangenen Woche vor – ein schneller Streifzug durch den Blätterwald und die Aktivitäten der EBD. English version here.
31.01-06.02.15: Die Woche der Entscheidung für die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) und ihr Mitglied Griechenland: Die Weigerung der griechischen Regierung um Ministerpräsident Alexis Tsipras weiter mit der von der EU eingesetzten Troika zusammenzuarbeiten, sorgte für Gesprächsstoff: Während die Bundesregierung an der Troika als „bewährten Kontrollmechanismus“ festhält, zeigt sich die Europäische Kommission in der Debatte deutlich offener. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hält es für möglich, die Troika durch ein demokratisch legitimierteres Kontrollorgan zu ersetzen (Die Welt). Auch EBD-Präsident Dr. Rainer Wend sieht die Staatsschuldenkrise vor allem als politisches Problem, für das es mehr bräuchte als eine rein technische Beamten-Troika (vgl. Europapolitischer Einwurf des Präsidenten). Tsipras warb während seiner Tour durch die europäischen Hauptstädte um die Unterstützung der Staatschefs und Finanzminister (Die Welt). In Brüssel traf er die Präsidenten von Europäischer Kommission, Rat und Parlament. Nachdem die EZB den Zugang zu Krediten für Griechenland erschwert hatte (Handelsblatt), zeigte sich auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble unversöhnlich. Bei dem Treffen habe es keinerlei Annäherung gegeben: „Man sei sich einig, dass man sich nicht einig ist“, so Schäuble (Focus Online). In einem Interview kritisierte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis die Sparpolitik der EU. Die Entscheidungen von 2010 hätten die Lage in Griechenland verschlimmert und zur Entlassung der falschen Leute geführt, während Eliten- und Vetternwirtschaft verbunden mit Korruption die griechische Wirtschaft und Gesellschaft weiter belasten würden. Die EU müsste Griechenland nicht vertrauen, aber zuhören und die Probleme der griechischen Bürger ernst nehmen. (Die Zeit)
Erstmals seit der Neuaufstellung der Kommission im November 2014 fand eine neue Verhandlungsrunde zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) statt, nachdem die Verhandlungen durch öffentlichen Druck ins Stocken geraten waren. Ausgeklammert wurde bereits im Vorfeld das besonders umstrittene Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (ISDS) (EurActiv). Der European Council on Foreign Relations (ECFR) fordert die EU zu einem schnellem Abschluss der Verhandlungen und einer grundsätzlichen Änderung ihrer Verhandlungsposition auf; der Investorenschutz müsse beispielsweise gestrichen werden. Auch die Europäische Bewegung International (EMI) setzt sich für eine sachkundige und ehrliche TTIP-Diskussion ein und möchte „die Sorgen der zivilgesellschaftlichen Akteure an den Verhandlungstisch bringen“, so EMI-Generalsekretär Diogo Pinto in EurActiv.
Mit Spannung erwartet wurde der Staatsbesuch von Bundeskanzlerin Merkel in Ungarn. Ministerpräsident Viktor Orbán stand aufgrund seines liberalen Russlandkurses und seines autoritären Regierungsstils zuletzt erneut in der Kritik. Vor dem Treffen protestierten tausende Menschen in Ungarn gegen mangelnde Rechtssicherheit und Korruption im Land, forderten den Rücktritt Orbáns und hofften auf klare Worte der Kanzlerin (Tagesschau). Diese äußerte sich jedoch zurückhaltend und steht dafür nun selbst in der Kritik (Spiegel Online). Die Werte der EU waren auch Thema bei EBD-Staatsminister im Dialog: Michael Roth forderte die Stärkung und Sicherung von Grundwerten und Rechtsstaatlichkeit in der EU und rückte u.a. die Rolle des Medienpluralismus in den Fokus.
Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande bemühten sich persönlich um eine Beilegung der Konflikte in der Ukraine. Ziel der Gespräche mit Staatschef Petro Poroschenko und Präsident Wladimir Putin war ein umfassender Friedensplan, der einen sofortigen Waffenstillstand, den Rückzug schwerer Waffen sowie den Austausch von Gefangenen beeinhalten solle (Süddeutsche Zeitung). Anlass für die erneute Friedensinitiative war die zunehmende Eskaltion der Gewalt in der Ostukraine sowie die Diskussion um Waffenlieferungen der USA an die Ukraine. (New York Times) EBD-Vorstand Michael Gahler MdEP hält defensive Waffen zur Lösung des Ukraine-Konfliktes grundsätzlich für geeignet und widerspricht damit der Position Angela Merkels (Deutschlandfunk).
Sorgenvoll betrachten Wirtschaftsexperten die Deflation in der Eurozone. Die Inflationsrate im Euroraum betrug im Januar -0,6% und sorgte für den stärksten Preisabfall seit dem Bestehen des Euros. Besonders stark sei der Preisrückgang bei den Energie- und Lebensmittelpreisen. Durch die starke Deflation bestehe die Gefahr einer Abschwächung der wirtschaftlichen Konjunktur im gesamten Euroraum. (Spiegel Online)
EBD-Generalsekretär Hüttemann kritisierte indes den informellen Trilog zwischen der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat. EMI und EBD fordern eine transparente Gesetzgebung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, um eine starke parlamentarische Kontrolle und die Beteiligung von Bürgern und zivilgesellschaftlichen Interessen zu gewährleisten. Das stark verkürzte Verfahren des Trilogs könne dafür nicht ausreichend sein, das Hauptargument der Effizienz nicht akzeptiert werden.
Den Twitter-Rückblick zur Griechenlandkrise bieten die Hashtags #Grexit und #Griechenland. Die Verhandlungen und Diskussionen zum Freihandelsabkommen finden sich unter #TTIP. Unter #Ukraine und #MSC2015 können Sie die Entwicklungen zur Sicherheitslage und der Ukraine nachverfolgen. Die Kommentare zum Staatsbesuch Merkels in Ungarn finden sich unter #Ungarn; die Debatten um den Trilog in der EU-Gesetzgebung unter #Trilog. Die Werte-Diskussion bei Staatsminister im Dialog können Sie mit den Hashtags #Werte EU und #EBDStid nachlesen.