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Eine Vision für das Europa von Übermorgen – Jugendverbände diskutieren mit Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft

„Mach’s krasser!“ Unter diesem Leitspruch haben die Jugendverbände in der EBD ihre Vision für ein Europa im Jahr 2049 niedergeschrieben. Sie machten sich anlässlich des 70. Geburtstags der EBD darüber Gedanken, wie ihr Europa in 30 Jahren aussehen könnte. Das demokratische Experiment ist nach zwei Monaten intensiven Austausches in zahlreichen Abstimmungsrunden gelungen: Am Dienstag überreichten die Autorinnen und Autoren ihre Vision der Bundesregierung und diskutierten Weichenstellungen und Prioritäten auf dem Weg dorthin mit Repräsentantinnen und Repräsentanten der Spitzenverbände im Netzwerk der EBD.

In seinem Grußwort lobte der Vertreter der EU-Kommission in Deutschland, Jörg Wojahn, die Zukunftsvision der Jugendverbände für die wichtige Vorarbeit, die diese für die Bestrebungen der Kommission nach EU-weiter, größerer Bürgerbeteiligung leiste. Die Kommissionsvertretung habe die Veranstaltung deshalb gerne als Gastgeber unterstützt.

EBD-Präsidentin Dr. Linn Selle begrüßte die Teilnehmer mit einem Zitat von Carlo Schmid aus dessen Festansprache zur Gründung der EBD 1949: „Wenn Europa wirklich die Funktionen soll erfüllen können, die erfüllt
werden müssen, wenn die europäischen Völker nicht zugrunde gehen sollen, dann genügt ein Organ für die Koordination nationaler Interessen nicht. Dann wird man schon eine echt politische, ökonomische und konstitutionelle Einheit schaffen müssen.“ Es sei allerdings wichtig, nicht nur in die Vergangenheit oder unmittelbare Zukunft zu blicken, so Selle. Stattdessen müsse man den Blick weiten und an das Europa von Übermorgen denken. Tobias Köck, Vorsitzender des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR), der die Vision koordinierte, gab eine Übersicht über den Prozess und die wichtigsten Themen der Vision.

Diese griff im Anschluss der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt Michael Roth, MdB auf. In seiner Replik zur Zukunftsvision ging er auch auf das Thema Vertiefung der EU ein, wie vielfach von den Jugendverbänden gefordert. So sei europäische Integration bei weitem kein Nullsummenspiel, das nationale Souveränität gegen europäische austausche. Im Gegenteil: Gerade am Europäischen Rat werde deutlich, dass er keineswegs ein „Kreis der Großen“ – also einiger weniger bevölkerungsreicher Mitgliedstaaten – sei, sondern vielmehr ein Zusammenschluss kleiner Staaten, die es gemeinsam geschafft haben, als bedeutsamer Akteur auf internationaler Ebene aufzutreten.

Nach einem Selfie mit den Autorinnen und Autoren der Vision ging es für Roth zurück ins politische Berlin und für die Panel-Teilnehmerinnen und
-Teilnehmer zum tieferen Eintauchen in die Forderungen für das Europa von 2049.

Im Themencluster Wirtschaft, Soziales und Migration hoben Sandra Koch, stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der Wirtschaftsjunioren Deutschland (WJD) und der stellvertretende DBJR-Vorsitzende Marius Schlageter den breiten pro-europäischen Konsens unter den Autorinnen und Autoren der Vision hervor. Die inhaltlichen Trennlinien, die in ‚alten‘ Verbänden bestünden, würden zwischen den Jungenverbänden erheblich schwächer ausfallen. Zu den Inhalten der Vision diskutierten anschließend Ulrike Helwerth vom Deutschen Frauenrat, Dr. Stefan Mair vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und Reiner Hoffmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Am 26.11.2019 diskutierten die EBD-Jugendverbände im Europäischen Haus mit Vertreterinnen und Vertretern aus…

Gepostet von Europäische Bewegung Deutschland e.V. am Montag, 2. Dezember 2019

Ein besonderes Anliegen für Helwerth war das Thema Digitalisierung. Europa als „Gleichberechtigungsmotor“ sei zum Erliegen gekommen. Gerade in der Frage der Digitalisierung halte sie es für wichtig, diese aktuell stark geschlechtersegregierte Branche mehr zu diversifizieren. Hoffmann und Mair waren ihrerseits enttäuscht von der geringen Bewegung in der Europapolitik. Besonders die geringen Ambitionen der Bundesregierung, die europäische Integration voranzutreiben – trotz hochgesteckter Ziele im Koalitionsvertrag – kritisierten sie. Aufkommenden Pessimismus über die Umsetzbarkeit der Vision wehrten Schlageter und Koch mit den Worten „Bis 2049 sollten wir das schon schaffen“ ab.

Anna Balzereit von der WWF Jugend stellte zentrale Aspekte der Vision im Themencluster Nachhaltigkeit, Umwelt, Mobilität und Außenbeziehungen vor. Hier standen die Weltklimaabkommen im Fokus. Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR) Prof. Dr. Kai Niebert bezeichnete diesen Punkt als den wichtigsten des gesamten Kapitels: „In der Umweltpolitik leben wir von der EU.“ Probleme sehe er vor allem in der nationalen Umsetzung europäischer Projekte und falscher Anreize. In Deutschland könnten z.B. allein durch ein Ende der jährlich 53 Mrd. € klimaschädlicher Subventionen mehr als ausreichend Mittel frei werden, um den klimapolitischen Wandel zu vollziehen. Auch für die Umsetzung der Vision würde dies eine interessante Ressource darstellen.

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), führte das Beispiel der Datenschutzregelung der EU als großen Erfolg an. Niemand könne mehr Handel mit den Mitgliedstaaten der EU treiben, ohne dieser Regelung zu entsprechen. Er stellte die Frage, warum der gleiche Ansatz nicht auch mit Klimaschutzauflagen geschehen könne.

Mit Malte Steuber, dem Vorsitzenden der Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland (JEF) und Matthäus Fandrajewski als Vertreter der dbb Jugend diskutierten zum Abschluss alle Panelistinnen und Panelisten die Themen Bildung, Jugend und Demokratie. Steuber unterstrich, wie wichtig die Beteiligung junger Menschen in Zukunftsfragen sei. Zustimmend forderte Niebert, dass politische Entscheidungsforen wie die Kohlekommission nicht mehr ohne die Einbindung von Jugendvertreterinnen und -vertreter stattfinden dürften.

Fandrajewski berichtete außerdem aus eigener Erfahrung vom Wert interkultureller Begegnung. Damit die EU auch nach innen noch mehr zusammenwächst, seien Austauschprogramme von höchster Bedeutung. Die Verbandschefinnen und -chefs stimmten dem zu und sprachen sich darüber hinaus für eine Ausweitung von Programmen wie Erasmus+ auch auf Menschen älterer Altersgruppen aus. Solche Maßnahmen würden auch für eine größere übergenerationelle Solidarität sorgen, so Helwerth, und könnten unter anderem Probleme wie den erstarkenden Populismus und Nationalismus an der Wurzel angehen.

Die Diskussionsveranstaltung soll nicht der Abschluss, sondern der Beginn eines Austausches über die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union sein. Entsprechend breit war der Entwicklungsprozess der Vision, in den weitere EBD-Mitgliedsorganisationen, wie das Institut für Europäische Politik (IEP) ihre Ideen eingebracht hatten. Auch die EBD-Politik des kommenden Jahres soll auf die Vision Bezug nehmen. Alle 250 Mitgliedsorganisationen sind herzlich eingeladen, sich am Ideenwettstreit um die zukünftige Entwicklung des Kontinents zu beteiligen.