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EU: Kater oder Aufbruch? EBD-Präsident Wend in der Huffington Post

Die EU wird 60 und muss sich neu erfinden: In der Woche nach dem großen Jubiläumsgipfel zu 60 Jahre Römische Verträge bat die Huffington Post EBD-Präsident Dr. Rainer Wend um einen Blog-Beitrag zur Zukunft der EU. Darin zollt er den proeuropäischen Aktivisten von „Pulse of Europe“ und „March for Europe“ großen Respekt: Sie hätten „zur richtigen Zeit die Menschen abgeholt, denen es angst und bange um Europa wird“ und klargemacht, dass der Ruf „Wir sind das Volk“ keine Springerstiefel trage, sondern für ein offenes und menschenfreundliches Europa stehe.

Dennoch werde sich in den nächsten Monaten zeigen, ob die EU nach der Euphorie im Fahnenmeer Kater- oder Aufbruchstimmung erwarte. Für einen europäischen Aufbruch, so Wend, brauche es mehr als Enthusiasmus. Reformen zu wagen bedeute, die „Mühen der demokratischen Ebene“ auf sich zu nehmen. Er plädiert für eine Änderung der EU-Verträge, um die EU als parlamentarische Demokratie zu etablieren: „Für eine leistungsfähige EU ist sowohl ein Software-Update wie auch ein neues Betriebssystem notwendig.“

Der Beitrag im Wortlaut:

EU: Kater oder Aufbruch?

Putin, Brexit und Trump sei Dank! Europapolitik bewegt endlich Talkshows, Schlagzeilen und die Straße. Man kann den Aktivisten von „Pulse of Europe“ und „March for Europe“ nur Danke sagen und „Chapeau!“ zurufen. Proeuropäische Initiativen haben zur richtigen Zeit die Menschen abgeholt, denen es angst und bange um Europa wird. Endlich wird klar, dass „Wir sind das Volk“ für ein offenes und menschenfreundliches Europa steht und eben doch keine Springerstiefel trägt. Aber so sehr es die Menschen danach drängt, endlich positiv für Europa Flagge zu zeigen, in den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob nach der Fete der große Aufbruch oder der große Kater kommt. Denn noch entscheiden die 27 Staatskanzleien der Mitgliedstaaten über die Zukunft der EU.

Die „Römische Erklärung“ bietet eine starke Grundlage dafür. Auch Junckers „Weißbuch zur Zukunft der EU“, an dem sich lokale Akteure, Sozialpartner und andere gesellschaftliche Gruppen hervorragend abarbeiten können.

Aus meiner Sicht muss jetzt zweigleisig verfahren werden: Für eine leistungsfähige EU ist sowohl ein Software-Update wie auch ein neues Betriebssystem notwendig. So ist vielen nicht klar, dass der Rat (der Mitgliedstaaten!) EU-Gesetzgeber ist – und damit für die meisten EU-Gesetze verantwortlich. Die sollten übrigens statt „Richtlinien und Verordnungen“ endlich auch „Rahmengesetze und Gesetze“ genannt werden. Der Eindruck, eine bürokratische Kommission falle mit etwas parlamentarischer Kontrolle über die Bürger her, ist so falsch wie gefährlich.

Ein neuer EU-Vertrag muss die EU endlich als parlamentarische Demokratie etablieren: Mit einem klar erkennbaren Zweikammersystem, mit einem gestärkten Parlament und einer transparenten Staatenkammer, die gemeinsam eine handlungsfähige EU-Kommission bestimmen und sie im Sinne der Unionsbürger und Mitgliedstaaten kontrollieren. Dann wäre es nur konsequent, wenn das Parlament ein Initiativrecht bekäme. Gesellschaftlicher Wettbewerb um die besten Konzepte funktioniert parlamentarisch am besten. Wir brauchen Interessenausgleich und Kompromiss, keine Ansage „von oben“.

Zu lange haben Akademiker das Mantra vom „Europa besser erklären! oder „Europa braucht ein neues Narrativ!“ gepredigt. So schön Konzepte sind und das blaue Fahnenmeer den Reformeifer befeuert – die Mühen der demokratischen Ebene müssen mit möglichst vielen Interessenträgern durchschritten werden. Dies gilt auch für eine neue und bessere EU. Repräsentative und demokratische Organisationen müssen einen breiten, nachhaltigen Diskurs entfachen und gestalten, so wie sie es schon bei Gründung der Europäischen Bewegung 1948 getan haben. Denn noch sind Technokraten und Populisten nicht besiegt.


Mehr Informationen über die verschiedenen proeuropäischen Initiativen finden Sie in den EBD Häppchen „Flagge zeigen für Europa: Die schweigende Mehrheit hört auf zu schweigen“