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Europäische Wertegemeinschaft

EUD | Menetekel für Europa? Ein Kommentar von EUD-Generalsekretär Christian Moos zur Ungarnwahl

Das Enfant terrible der europäischen Politik hat bei den Parlamentswahlen eine große Mehrheit gewonnen. Ob es vor den Wahlen in Ungarn noch Presse- und Meinungsvielfalt gab, wie wir sie hierzulande gewöhnt sind, ist eine andere Frage. Ob die Kommentatoren recht haben, die der EU nun verstärkten Widerstand aus Mittel-Osteuropa prognostizieren, bleibt abzuwarten. Auch Victor Orbán weiß, dass die ungarische Wirtschaft auf die europäischen Fördermittel angewiesen ist. Aber die EU ist mehr als ein Binnenmarkt, mehr auch als eine Transfermaschine. Sie ist eine Wertegemeinschaft.
Die überparteiliche Europa-Union Deutschland beobachtet die Entwicklung in einigen EU-Mitgliedstaaten seit Jahren mit großer Sorge. Und ihre Haltung ist klar und unmissverständlich: „Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die Achtung der Menschenrechte und die Achtung und der Schutz von Minderheiten sind, ebenso wie Pressefreiheit oder die Freiheit der Forschung und Lehre, keine verhandelbaren Güter, sondern Grundwerte, auf denen die Europäische Union gegründet ist. Eine dauerhafte und anhaltende Verletzung dieser Werte muss von allen beteiligten Akteuren und Institutionen sanktioniert werden.“

Ungarn ist freilich nicht der einzige europäische Problemfall. In Rumänien steht der Rechtsstaat auch auf der Kippe, stemmt sich der Präsident noch mit aufschiebendem Veto gegen die faktische Generalamnestie einer durch und durch korrupten Regierung. Korruptionsvorwürfe wurden auch gegen Orbáns Regierung erhoben, gingen aber im fremdenfeindlichen Angstwahlkampf des Rechtspopulisten unter. Auch Tschechien und die Slowakei geben Anlass zur Sorge. Und Polen ist wie Ungarn bereits Kandidat für das Rechtsstaatsverfahren des EU-Vertrags, ist Ungarn sogar ein paar Schritte voraus, was die Schaffung einer abhängigen Justiz betrifft.

Es stellt sich die Frage, wie eine Spaltung Europas noch vermieden werden kann. Die Europa-Union will keine verfestigte Teilung der Gemeinschaft. Auch müssen die „alten“ EU-Staaten sich fragen, was sie falsch gemacht haben im Dialog mit den jüngeren Partnern. Eine Kurskorrektur ist dringend geboten, und Drohgebärden allein werden nichts Gutes bewirken. Die Union kann nur Bestand haben und zu einer echten Föderation weiterentwickelt werden, wenn sie wieder zu einer „Gemeinschaft“ wird. Aktuell sind der Bruch- und Trennlinien zu viele. Ein neuer Gemeinschaftssinn muss hergestellt werden. Bleibt zu hoffen, dass es nicht Dritter bedarf, die den Souveränisten und illiberalen Demokraten eines Tages vor Augen führen, was der Preis der Spaltung ist. Vielleicht wäre Angst dann rational, Europa aber – zumindest für Einige – vorerst Geschichte.

Christian Moos, Generalsekretär der Europa-Union Deutschland und EBD-Vorstandsmitglied

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