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Institutionen & Zukunftsdebatte

EUD | Ode an die Freude – Einwurf von Generalsekretär Christian Moos

Nicht die Marseillaise begleitete die Zeremonie vor der ersten Ansprache des neuen französischen Präsidenten. Emmanuel Macron wählte Beethovens 9. Sinfonie, die Europahymne. Damit hat der jüngste und vielleicht einmal proeuropäischste französische Präsident aller Zeiten bewusst ein starkes Signal ausgesandt. Schaut her: wir wagen einen Neuanfang, für Frankreich und für Europa.

Ob Macron jedoch mehr Fortune haben wird als seine Vorgänger, wird sich erst noch zeigen müssen. Auch darf neben der allgemeinen Erleichterung über den Ausgang der französischen Präsidentschaftswahl nicht vergessen werden, wie kritisch die Lage im Hexagon nach wie vor ist. Jeder zweite Franzose wählte im ersten Wahlgang nationalistische, extremistische, EU-feindliche Kandidaten. Das aktuelle Time Magazine, das Macron in Siegerpose aus dem Schatten tretend zeigt, titelt zu Recht, dass dies nur die Schlacht um Frankreich war. Der Krieg zwischen Nationalismus und Globalisierung habe gerade erst begonnen.

Tatsächlich stand in Frankreich nicht „nur“ die Europäische Union auf dem Spiel. Dass viele Menschen diese ablehnen, ist letztlich das Symptom für eine tiefere Krise der westlichen Ordnung. Wäre die Rechtsextremistin Marine Le Pen gewählt worden, hätte dies ja nicht nur die EU in existenzielle Gefahr gebracht. Auch die Französische Republik wäre in akuter Lebensgefahr gewesen. Es ist also nicht etwa so, dass nur die EU ein Problem hätte. Der Angriff, der im Grunde weltweit erfolgt, gilt dem politischen System der Nachkriegszeit, der liberalen Demokratie, dem Rechtsstaat, der westlichen Ordnung. Die EU ist aus einer Reihe von Gründen nur das schwächste Glied in der Kette des europäischen Mehrebenensystems. Längst werden auch die Grundsäulen der freiheitlich demokratischen Grundordnung auf nationaler Ebene unterminiert, wenn sie nicht hier und da – auch in Europa – schon zu Fall gebracht worden sind.

Macron ist das Gegenbild zu einem Präsidenten Trump. Er ist jung, hochgebildet, tolerant und weltoffen. Erfolg oder Misserfolg seiner Präsidentschaft könnten über das Schicksal der französischen Demokratie und der Europäischen Union entscheiden. Ohne Frankreich ist die Union nicht vorstellbar. Dieser junge Liberale hat nun allerdings auch Vorstellungen von Europa, die mit denen der deutschen Regierung nicht samt und sonders kongruent sind. Man wird sich aufeinander zu bewegen müssen, wenn die Ode an die Freude nicht zum Requiem werden soll. Berlin täte gut daran, konstruktiv dazu beizutragen, dass die deutsch-französische Partnerschaft, ohne die der europäische Integrationsprozess niemals erfolgreich hätte sein können, mit neuem Leben erfüllt wird. Paris und Berlin müssen allen voran – andere nicht ausschließend – gemeinsame und tragfähige Zielvorstellungen entwickeln.

Die Europäische Union bildet gleichsam die vorderste Verteidigungslinie gegen die Ausbreitung von Autoritarismus und nationalem Chauvinismus. Die Verantwortlichen sollten sich gut überlegen, ob – ist diese einmal überrannt – die dahinterliegenden halten werden.