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EU-Erweiterung, Außen- & Sicherheitspolitik, Europäische Wertegemeinschaft

EUD | Polnisches Verfassungsgerichtsurteil: eine Kampfansage, die nicht unbeantwortet bleiben darf!

Die Entscheidung des höchsten polnischen Gerichts, dass europäisches Recht keinen grundsätzlichen Vorrang vor polnischem Recht hat, gefährdet die rechtlichen und politischen Grundlagen auf denen die Europäische Union aufgebaut wurde. Hat dieses Urteil innerhalb der EU Bestand, kann die EU sich nicht länger als Rechtsgemeinschaft bezeichnen.

Die überparteiliche Europa-Union Deutschland fordert deshalb zügige, weitreichende und schmerzhafte Sanktionen wie den umgehenden Stopp aller EU-Zahlungen an Polen und die Ergreifung aller möglichen Maßnahmen nach Artikel 7 des EU-Vertrages.

Für einen Staat, der so agiert, ist kein Platz in der europäischen Rechts- und Wertegemeinschaft. Es gilt, diese Rechtsbrüche zu sanktionieren, da die EU auf Basis einer solchen Rechtsprechung nicht dauerhaft bestehen kann. Die generelle Infragestellung des Vorrangs des Unionsrechts, die den Staatenverbund faktisch auf den Status eines lockeren Staatenbundes herabstufen würde, eröffnete der polnischen Regierung sich gegen jedwede Verpflichtung zu stellen, die aus dem Sekundär- und Primärrecht der EU folgt.

Die polnische Regierung verweist zu ihrer Verteidigung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum PSPP-Programm. Wir weisen dies mit Nachdruck zurück, denn das BVerfG-Urteil bezieht sich auf einen sekundärrechtlichen Akt und stellt anders als das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts den generellen Vorrang des Unionsrechts nicht in Frage. Insbesondere handelt es sich beim Bundesverfassungsgericht um ein unabhängiges Gericht, das ein hohes Maß an Vertrauen in der Bevölkerung – über die politischen Lager hinweg – genießt. Das polnische Verfassungsgericht hingegen wurde in den letzten Jahren rechtswidrig umgebaut und die Unabhängigkeit der Richter durch die Schaffung einer von der Regierung kontrollierten Disziplinarkammer de facto abgeschafft. Richter wurden gegen ihren Willen in den vorzeitigen Ruhestand geschickt und durch Richter, die der Regierungspartei nahestehen, ersetzt. Wir solidarisieren uns deshalb mit den Polinnen und Polen, die als Ausdruck ihres Entsetzens in den großen polnischen Städten demonstrieren.

Polen entwickelt sich – wie bereits Ungarn zuvor – zu einem autoritären Staat, der nicht mehr als Demokratie bezeichnet werden kann. Für solche Staaten darf kein Platz in der EU sein, wenn diese auch weiterhin eine Rechts- und Wertegemeinschaft sein will.

Die neue Bundesregierung, die es zügig zu bilden gilt, muss deshalb über die o.g. konkreten Maßnahmen hinaus eine Initiative für eine europäische Allianz der Demokratien ergreifen und das Problem der Herausbildung autoritärer Staaten innerhalb der EU entschlossen angehen.

Diese Allianz kann, falls alle anderen Mittel scheitern, den Ausgangspunkt für eine Neugründung, für einen europäischen Bundesstaat, sein. Das europäische Projekt wird nur bestehen können, wenn es sich als wehrhaft gegen autoritäre Akteure erweist.