Aktuelles > Europa: Jetzt erst recht! Mitgliederversammlung zwischen Brexit und Bundestagswahlen

Artikel Details:

Partizipation & Zivilgesellschaft

Europa: Jetzt erst recht! Mitgliederversammlung zwischen Brexit und Bundestagswahlen

„Den europäischen Weg gemeinsam weiter zu verfolgen, ist jeder Mühe wert – es gibt keine bessere Alternative!“ So eindeutig positioniert sich die Europäische Bewegung Deutschland e.V. (EBD) auf ihrer Mitgliederversammlung in den Räumen des Deutschen Bauernverbands e.V. Vier Tage nach dem EU-Austrittsvotum der Wähler im Vereinigten Königreich beschlossen die Delegierten der Mitgliedsorganisationen unter dem Titel „Europäisch denken, handeln und regieren“ zwölf konkrete Forderungen für die Fortentwicklung der europäischen Integration und der deutschen Europapolitik und wählten die Köpfe, die im EBD-Vorstand für ihre Umsetzung verantwortlich sein werden.

Mit Spannung erwartet wurde die Keynote von Gastredner Peter Altmaier. Der Kanzleramtschef mahnte vor allem davor, keine übereilten Schlüsse aus dem EU-Referendum im Vereinigten Königreich zu ziehen.

Ein grundsätzlicher Umbau der Gemeinschaft verlange die Änderung der EU-Verträge. Die dafür nötige Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten sei momentan unrealistisch. „Ich plädiere dafür, jetzt nicht ein Jahr lang eine Debatte über Mehrheits- oder Einstimmigkeitsentscheidungen zu führen. Die Menschen erwarten Lösungen für die drängenden Probleme“ – etwa die Flüchtlingskrise, die Jugendarbeitslosigkeit oder die Sicherung des Wohlstandsniveaus.

Dazu brauche es das Engagement der nationalen politischen Eliten: „Europa wird nicht überleben können, wenn nicht die nationalen Politiker, egal ob rechts oder links, ihren Teil der Verantwortung übernehmen, den Bürgern dieses Europa zu erklären und es zu verteidigen.“ Hier komme der EBD eine besondere Bedeutung zu: „Die Europäische Bewegung ist heute wichtiger denn je. Das ist ein großartiger Ansatz, diese Eliten, die wissen, wie wichtig Europa in ihrem Bereich ist, zu stützen und zu verzahnen. So kann es gelingen, den Zusammenhalt in Europa zu stärken.“

Bei allem Lob: „Die EBD wird auch weiterhin engagiert und kritisch bleiben“, begann EBD-Präsident Dr. Rainer Wend seine Replik. Bedenken wegen bevorstehender EU-Vertragsänderungen seien verständlich. Aber: „In der Politik brauchen wir eine klare Ansage an die Öffentlichkeit, dass der Dialog zu den nationalen und europäischen Konstruktionsfehlern gewünscht wird! Sonst kommt der Eindruck auf: Der Apparat will vom Volk nicht gestört werden.“ Die EBD mache deswegen in ihren Politischen Forderungen zahlreiche Vorschläge dazu, wie das Projekt Europa demokratischer und transparenter werden könne.

Mit Blick auf das EU-Referendum im Vereinigten Königreich erinnerte Wend an die Gefahren des Populismus. Der gedeihe überall, wo Demokratie und Solidarität geschwächt seien – „nicht in Brüssel, sondern an den Rändern der Gesellschaft, national und territorial.“ Solange sich nationale Politiker in fast jeder Hauptstadt hinter Brüssel verstecken könnten, ließen sich Bürgerinnen und Bürger weiter verunsichern. „Wir brauchen eine klare Ansage bei der demokratischen Entwicklung der EU“, forderte Wend: „Mehr geteilte Verantwortung in der Europapolitik, mehr demokratischen Pluralismus. Und wir brauchen strukturierte und selbstgetragene Debatten allerorten.“ Deshalb wünsche er sich auch für die Bundestagswahlen, dass die Parteien europapolitisch stärker Position beziehen.

Der vom UK-Referendum noch sichtlich gezeichnete Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland, Richard Kühnel, warnte davor, angesichts des Brexits die europäische Integration als Ganzes in Frage zu stellen.

Er erinnerte daran, dass es vor allem deswegen zum Brexit kam, weil zwei Drittel der mehrheitlich pro-europäischen jungen Wähler gar nicht erst zu Abstimmung gegangen seien. Wichtig sei es deshalb, die Partizipation zu stärken. Als Brückenbauer zwischen Bürgern und Eliten seien die Europäischen Bewegungen unverzichtbar, so Kühnel.

Wie die EBD ihre Funktion als Brückenbauer im kommenden Jahr versteht, legen die Arbeitsschwerpunkte 2016/17 fest, die die Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit beschloss. Erstmals enger an den Politischen Forderungen ausgerichtet, verpflichtet sich Deutschlands größtes Netzwerk für Europapolitik darin zum Beispiel, „dank der Expertise unserer Mitgliedsorganisationen für eine objektive Zusammenstellung von Daten und Fakten zu Themen wie Freizügigkeit, Migration und Sicherheit“ zu sorgen, um Ängste in der Bevölkerung abzubauen. Daneben will die EBD die Europapolitik zu einem Entscheidungskriterium für die Bundestagswahl 2017 machen und die Parteien dazu ermuntern, sich in ihren Wahlprogrammen stärker europapolitisch festzulegen.

Bei der Umsetzung der Politik und der Arbeitsschwerpunkte kann das Team des EBD-Generalsekretariates auf die bewährte Unterstützung eines nahezu unveränderten ehrenamtlichen Vorstands zählen. EBD-Präsident Dr. Rainer Wend wurde für eine dritte und letzte Amtszeit wiedergewählt, ebenso wie Schatzmeister Peter Hahn und die Vizepräsidenten. Neu im Vorstand sind Florian Drücke (Bundesverband Musikindustrie e.V.) und Thiemo Fojkar (Internationaler Bund) auf den zwei zusätzlich geschaffen Positionen im Organisationsbereich „Weitere Organisationen mit europapolitischem Interesse“ sowie Dr. Otto Schmuck (Europahaus Marienberg) und Olaf Wientzek (Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.) im Bereich „Bildung & Forschung mit Schwerpunkt Europa“.

Auch das Netzwerk der „Frauen Europas “ erhielt Verstärkung: Die Mitgliederversammlung feierte die neue Trägerin des Preis Frauen Europas Adriana Lettrari. Mit dem von ihr gegründeten Netzwerk 3. Generation Ostdeutschland erforscht sie die Erfahrung der Wende als Chance und denkt die unterschiedliche Sozialisierung in Ost und West bewusst europäisch. Der Festakt zur Preisverleihung ist für den Herbst 2016 geplant.

Europa-Kommunikation auf allen Ebenen macht auch bei den Bundesländern nicht Halt: Im Vorfeld der Mitgliederversammlung nutzten Vertreterinnen und Vertreter der Landeskomitees der Europäischen Bewegung die Gelegenheit zum Austausch und berieten gemeinsam, wie die Europakommunikation auf Landesebene gestärkt werden kann. Die Vertreterin der Landeskomitees im Vorstand der EBD, Carola Lakotta-Just, wurde von der Mitgliederversammlung in ihrer Funktion bestätigt und wird sich auch in den kommenden zwei Jahren für die Belange der Landeskomitees einsetzen.

Die Mitgliederversammlung nahm außerdem die Public Affairs Agentur IPA/ARCTURUS Group GmbH auf. Damit steigt die Zahl der Mitgliedsorganisationen der EBD auf runde 250 – ein klares Zeichen für den stetigen Wachstumskurs des Netzwerks.


Mehr zum EBD Netzwerk-Tag:EBD Netzwerk-Tag 2016 kl

  • Bericht zum politischen Teil mit der Keynote von Peter Altmaier, MdB und Minister für besondere Aufgaben, und den Repliken von Richard N. Kühnel, Vertreter der EU-Kommission in Deutschland, und EBD-Präsident Dr. Rainer Wend. Die Rede des EBD-Präsidenten finden Sie hier.
  • Den Bericht über die Wahlen zum EBD Vorstand können Sie hier lesen.
  • Europäisch denken, handeln und regieren: Politische Forderungen 2016/17 und Arbeitsschwerpunkte der EBD – zum Bericht

Ein Facebook-Album zum EBD Netzwerk-Tag finden Sie hier