„Europa kann sich keine verlorene Generation erlauben“ – EBD-Vorstand Bischoff über Jugendarbeitslosigkeit in Europa
14 Millionen junge Menschen in Europa zwischen 25 und 29 Jahren befinden sich weder in Ausbildung noch in Beschäftigung. Über die Frage, ob diese hohe Jugendarbeitslosigkeit ein strukturelles Problem ist oder eine vorübergehende Erscheinung, diskutierte Gabriele Bischoff, Mitglied im Vorstand der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD), in einem Expertengespräch im Deutschen Bundestag.
Seit dem Beginn der Eurokrise ist die Jugendarbeitslosigkeit massiv angestiegen, stellte Gabriele Bischoff fest. Nur drei EU-Staaten hätten derzeit eine Jugendarbeitslosigkeitsquote unter 10%: die Niederlanden, Österreich und Deutschland. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit könne jedoch nicht allein auf die Eurokrise zurück geführt werden. In EU-Staaten wie Bulgarien, Italien, Polen, Lettland und Litauen habe die Jugendarbeitslosigkeit schon im Zeitraum von 2001-2011 über 10% gelegen. Bischoff, Abteilungsleiterin Europapolitik im DGB-Bundesvorstand, begrüßte den Vorschlag der Kommission eine Jugendgarantie einzuführen. Die Initiative ziele darauf ab, arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten in eine Arbeitsstelle, einen Ausbildungsplatz, einen Praktikumsplatz oder in eine Weiterbildung zu vermitteln. Bestimmte Zielgruppen, wie schwer vermittelbare Jugendliche könnten mit diesem Programm nicht erreicht werden. Außerdem löse es nicht die strukturellen Probleme der Jugendarbeitslosigkeit. Bedeutsam sei es, das Programm nicht über das Gießkannenprinzip zu finanzieren, sondern die betroffenen Länder gezielt zu fördern. Nach Bischoff komme es darauf an, den jungen Menschen eine Perspektive zu geben, weil die hohe Arbeitslosigkeit einen enormen gesellschaftlichen Sprengstoff berge. „Europa kann sich keine verlorene Generation erlauben“, schloss Bischoff.
Dr. Ekkehard Ernst, Chief Employment Trends Unit im International Labour Office, sah voraus, dass die Jugendarbeitslosigkeit ein dauerhaftes Problem bleiben werde. Eine Trendwende hin zu einer besseren ökonomischen Situation junger Menschen in Europa sei nicht anzunehmen. Aus seinen Forschungen zog er zwei Schlüsse: Jugendliche, die über einen längeren Zeitraum keine Arbeit finden, würden sich immer mehr vom Arbeitsmarkt abwenden und inaktiv werden. Weiterhin seien Jugendliche, die Arbeit finden, oft auf Teilzeit beschäftigt. Dieser Trend, der schon vor der Eurokrise zu beobachten gewesen sei, habe sich während der Krise verschärft.
Gegenüber der Jugendgarantie äußerte sich Dr. Oliver Perschau von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber kritisch. Der Begriff suggeriere eine Problemlösungsfähigkeit auf europäischer Ebene, die nicht eingehalten werden könne. Der Leiter der Abteilung Volkswirtschaft, Finanzen und Steuern begrüßte, dass die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eine Priorität der irischen Ratspräsidentschaft.
Die Diskussionsfragen drehten sich darum, inwieweit die EU-Staaten bereit sind, in Richtung Jugendgarantie zu gehen, den Stellenwert von Praktika und die Schaffung von Bildungsgerechtigkeit in der EU.
Der Beirat für Europa der Gesellschaft zum Studium Strukturpolitischer Fragen e.V. veranstaltete dieses Expertengespräch. Axel Schäfer, der Vorsitzende des Beirates für Europa, ist auch Mitglied im Vorstand der EBD.