Politische Forderungen & Arbeitsschwerpunkte der EBD beschlossen
Von Jobs für die Jugend über Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen bis zur Stärkung der repräsentativen Demokratie reicht das Spektrum der politischen Forderungen, die die EBD-Mitgliederversammlung für das Jahr 2014/15 verabschiedete. „Wir müssen den populistischen Totschlagargumenten mancher EP-Wahlgewinner etwas entgegensetzen. Die EU muss dem etwas Überzeugendes – Reformen! – entgegensetzen“, begründete EBD-Präsident Dr. Rainer Wend beim EBD Netzwerk-Tag die Stoßrichtung der Agenda.
Bereits zum zweiten Mal hatten sich die 238 Mitgliedsorganisationen der EBD nicht nur auf Arbeitsschwerpunkte geeinigt, sondern konkreten Handlungsbedarf der politischen Akteure in Berlin und Brüssel benannt. „Die politischen Forderungen der EBD helfen, den EU-Reformprozess zu begleiten und zu forcieren, denn nicht umsonst deckt die EBD als größtes europapolitisches Netzwerk in Deutschland die ganze Breite der organisierten Zivilgesellschaft ab“, so EBD-Präsident Wend in seiner Rede beim EBD Netzwerk-Tag.
Die im frühzeitigen demokratischen Abstimmungsprozess unter den Mitgliedern erarbeiteten elf Forderungen sind so pluralistisch wie das Netzwerk selbst. Einstimmig beschlossen, lassen sich die Politischen Forderungen in drei Bereichen zusammenfassen:
Der Bereich „Transparente Demokratie, nachhaltige Reformen, partizipative Verfahren“ bildet mit fünf Forderungen einen der Schwerpunkte der Agenda:
- Die EBD erneuert hier ihre 2013 erstmals erhobene Forderung nach einem Konvent, der die reformbedingten Änderungen in den EU-Verträgen mit vorbereitet, und schlägt die Einbindung der inzwischen gegründete Allianz Europe+, in der 44 Organisationen aus den Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten, in den Konventsprozess vor.
- Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU ist eine weitere Priorität der EBD-Mitglieder: „Der Reformprozess bestehend aus notwendiger Konsolidierung und Strukturreformen muss durch von der EU unterstützte Wachstumsimpulse ergänzt werden. Es ist unabdingbar, Gesetzgebungsprozesse auf neue Belastungen für die Wirtschaft und damit auf Risiken für die Beschäftigung zu überprüfen. “ Die EBD-Mitgliedsorganisationen bieten sich überdies für Konsultationen und als Träger für Maßnahmen im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit an.
- TTIP, das umstrittene Freihandelsabkommen mit den USA, ist ebenfalls im Katalog enthalten: „TTIP muss insgesamt sicherstellen, dass die europäischen Sozial- und Umweltstandards nicht verschlechtert werden“, fordert die EBD und setzt sich für größtmögliche Transparenz und demokratische Beteiligung bei den Verhandlungen ein.
- Als intransparent und undemokratisch steht erneut das „Trilog“ genannte verkürzte Gesetzgebungsverfahren in der Kritik: Die EBD fordert dessen Anwendung auf „besonders eilbedürftige Fällen“ zu begrenzen, und „die Dokumente, die Teilnehmenden und die Positionen der Beteiligten in jeder Phase des Gesetzgebungsverfahrens öffentlich zugänglich zu machen.“
- Damit die europäischen Bürgerinnen und Bürger ihre im Lissabon-Vertrag zugesicherten Mitbestimmungsrechte auch ausüben können, fordert die EBD eine weitere Stärkung der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen. Zum einen, indem sie die Bundesregierung auffordert, für Deutschland eine Rahmenvereinbarung für den Dialog zwischen Zivilgesellschaft, Bundesregierung, Ländern und Kommunen umzusetzen. Und zum anderen mit der Forderung, die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Jugendorganisationen besonders in Krisenländern zu verbessern.
- Im Lichte der EP-Wahl fordert die EBD außerdem Bundestag und Bundesrat dazu auf, die Voraussetzung für eine Sperrklausel zur EP-Wahl zu schaffen. Auch das Wahlrecht für Unionsbürger bei Landtagswahlen ist auf der EBD-Liste.
„Wir müssen Europa besser kommunizieren: Wir müssen Europa überzeugend begründen und belegen, dass die EU weiterhin das beste Mittel ist, um unsere Interessen auf der internationalen Bühne durchzusetzen und Lösungen für die großen Fragen der Zukunft zu finden.“ Mit diesen Worten hatte Markus Ederer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, in seinem Grußwort die beste Begründung für den zweiten Bereich der EBD-Forderungen geliefert: „Europa kommunizieren: Partnerschaft im In- und Ausland“
- Für die Europakommunikation in Deutschland wünschen sich die EBD-Mitglieder von der Bundesregierung, ihre europapolitische Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern und in partnerschaftlichen Treffen zu evaluieren. Auch die Landesregierungen werden zu einer engeren Partnerschaft mit zivilgesellschaftlichen Multiplikatoren aufgefordert.
- Bereits im vergangenen Jahr mit der Etablierung einer neuen Form der Diplomatie Thema der EBD, die dem Auswärtigen Amt vorgeschlagen hatte, gemeinsam eine „European Public Diplomacy“ zu entwickeln, die nicht nur eine politische, kulturelle, und wirtschaftliche Außenpolitik vertritt, sondern die Vernetzung der europäischen Zivilgesellschaft fördert. Dazu sollen in den deutschen Botschaften in Europaratsländern die Ansprechpartner für den zivilgesellschaftlichen Dialog besser bekanntgemacht werden.
- Da die EU-Verträge und die Grundrechtecharta die EU dazu verpflichten, die Vielfalt ihrer Sprachen zu achten und Diskriminierungen zu vermeiden, fordert die EBD die EU-Kommission dazu auf, dies auch in der Außenkommunikation sichtbar werden zu lassen: So soll sich die sprachliche Vielfalt der Unionsbürger in dem symbolischen Außenbild widerspiegeln und wie in früheren Jahren alle Amtssprachen der EU in gleicher Weise zur Geltung gebracht werden.
„Nur wenn wir selbst glaubhaft unsere Werte nach innen leben, werden wir Strahlkraft nach außen haben“, stellte Staatssekretär Ederer in seiner Rede vor den EBD-Mitgliedern und Gästen fest – eine Steilvorlage für den dritten Forderungskomplex der EBD: „Europäische Werte nach außen verteidigen und nach innen stärken.“
- Einstimmig, wie bei den anderen Forderungen auch, sehen die EBD-Mitglieder die Vertiefung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) als Voraussetzung für glaubhafte Krisenprävention und effektive Krisenbewältigung. Die EBD fordert Weichenstellungen hin zu einer europäischen Verteidigungsunion und langfristig den Aufbau einer parlamentarisch kontrollierten europäischen Armee. Überdies ruft die EBD die Bundesregierung dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass das Recht, sich einer Gewerkschaft anzuschließen, für Soldatinnen und Soldaten in allen EU-Ländern umgesetzt wird.
- Für die Wahrung der europäischen Werte in den Mitgliedsstaaten müssen sich die EU und ihre Institutionen nach Ansicht der EBD stärker einsetzen. Sie schlägt daher ein regelmäßiges Monitoring der Grund- und Menschenrechte vor und auch, der EU im Sinne einer echten Rechtsstaatsunion die Instrumente in die Hand zu geben, um diese Werte durchzusetzen. Bei Verhandlungen mit Beitrittskandidaten regt die EBD an, diejenigen Kapitel zuerst zu verhandeln, die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie beinhalten. Zur Wertegemeinschaft gehören auch Errungenschaften wie die Freizügigkeit, daher fodert die EBD die politisch Verantwortlichen, aber auch die Medien dazu auf, das Thema Freizügigkeit und Zuwanderung sachlich und faktenbasiert darzustellen: „Pauschale und nachweislich falsche Behauptungen zu Sozialbetrug sollten von Politik und Medien deutlicher kritisiert und klargestellt werden.“
In den Ruf nach Transparenz, Partizipation und Austausch zwischen, der in allen Forderungen anklingt, stimmte auch Gunther Krichbaum mit ein. Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Deutschen Bundestag sprach beim Netzwerk-Tag zum Thema „Europäische Gesetzgebung im Schnelldurchgang? Zwischen Effizienz und Partizipation“ und stellte fest: „Gerade auch der interparlamentarische Austausch ist wichtig, denn nationale Parlamentarier beurteilen Europapolitik mitunter anders als die Kollegen im EP. Sie würden beispielsweise eher zur intergouvernementalen Methode neigen, MdEPs dagegen wären immer für die Gemeinschaftsmethode.“ Das Sein bestimme eben das Bewusstsein, zitierte der CDU-Politiker schmunzelnd den Kommunisten Karl Marx und schloss: „Das muss aber kein Hinderungsgrund sein, an einem Strang zu ziehen – in Richtung Europa.“
Aus dem einstimmig verabschiedeten Forderungskatalog leiten sich die Arbeitsschwerpunkte der EBD für das kommende Jahr ab.