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  • 14.09.2012 - 14:50 GMT
  • FES

FES: Politik gegen die Krise in Europa

Für Strukturreformen und ein groß dimensioniertes Investitionsprogramm

MATTHIAS KOLLATZ-AHNEN
September 2012
Wir befinden uns seit 2008 in der größten globalen Finanzkrise seit 1929. In der Euro-Zone gab es ausgelöst durch die von den USA ausgehende Hypotheken- und Finanzkrise einen weltweiten wirtschaftlichen Einbruch, der zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen führte, der in Krisenländern wie Spanien und Griechenland dramatische Ausmaße annimmt. Die Staatsschuldenkrise ist die zweite Folge der globalen Finanzkrise, die allein für Deutschland mit einer Erhöhung der Staatsschulden um 470 Mrd. Euro verbunden war. Leistungsbilanzunterschiede innerhalb der EU und Zinssätze für Staatskredite einzelner Länder, die deutlich über den Wachstumsraten liegen, führen zu einem weiteren Auseinanderdriften der Ökonomien in Europa, was auf Produktivitätsunterschiede in der Realwirtschaft zurückzuführen ist.
Die Rückführung staatlicher Schulden sowie Umstrukturierungen zur Modernisierung der Gesellschaft bleiben notwendig, brauchen aber ein gleichwertiges zweites Standbein, eine wachstumsfördernde Investitionsstrategie, die rasch greift, auf wirtschaftliche Investitionen im öffentlichen und privaten Bereich sowie auf wirtschaftliche Vorhaben von Unternehmen setzt, damit diese wachsen und exportieren können. Ein neuer Wachstumspfad mit nachhaltiger Energie- und Transportwirtschaft und Breitbandnetzen für eine wissensbasierte Gesellschaft benötigt Investitionen.
Nach den Grundüberzeugungen der bisher in den Wirtschaftswissenschaften dominierenden Lehre des Neoliberalismus hätte es zu einer Krise dieses Ausmaßes nie kommen dürfen. Der Neoliberalismus konnte zudem weder die Krise vorhersagen, noch nach deren Ausbruch wirksame Wege zur Überwindung der Krise aufzeigen. Die gleichzeitige Umsetzung von Austeritätsprogrammen hat weiter in die Krise hinein und nicht aus ihr heraus geführt. In Ländern wie Spanien und Italien droht eine Abwärtsspirale aus Sparanstrengungen, wirtschaftlichem Einbruch und damit verbundener Arbeitslosigkeit und sinkender Staatseinnahmen, die weitere Kürzungen der öffentlichen Hand nötig machen. Als Grundirrtümer erwiesen haben sich beispielsweise der Glaube an die Effizienz der Finanzmärkte und die Bildung von stabilen und »richtigen« Preisen auf den Märkten, die Ausrichtung der Wirtschaft auf die kurzfristige Maximierung von Gewinnen (shareholder value) und die Ausrichtung volkswirtschaftlicher Theorie auf den homo oeconomicus. Ebenso falsch war die Übertragung mikroökonomischer Grundsätze auf makroökonomisches staatliches Handeln sowie das Idealbild eines regulatorisch möglichst untätigen weil unterfinanzierten Staates. Die Wirklichkeit ist bestimmt durch (i) strukturelle Arbeitslosigkeit, (ii) fehlgeleitete und nicht effiziente Anreizsysteme, (iii) Blasenbildung in der Wirtschaft, (iv) Herdentrieb statt Rationalität, (v) tiefe Krisen, die im Finanzsystem selbst entstehen, sowie (vi) ein Kreditangebot, das im Boom zu groß und in der Krise zu klein ist.
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